"Wir sind Helden"-Frontfrau:Ordnung im Chaos

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"Weiß nicht, wie man aufhört, nur wie man anfängt", singt Judith Holofernes. Ihre alte Band lässt sie ruhen und startet neue Projekte. (Foto: Marco Sensche)

Judith Holofernes bündelt auf der zweiten CD nach "Wir sind Helden" ihre Kräfte. Am Samstag zeigt sie das in der Muffathalle.

Von Michael Zirnstein

Sie gibt sich gern verträumt und erkennt auf ihrem zweiten Solo-Album: "Ich bin das Chaos." Dennoch denkt Judith Holofernes mit. Sie denkt an die Fans: Die Platte erscheint am 17. März, die Tournee ist aber bereits am 15. gestartet. Da sorgte sich die 40 Jahre alte Mutter von zwei Kindern, dass niemand die neuen Stücke mitsingen kann.

Deswegen hat sie einige Songs in Akustik-Versionen auf ihrem Internet-Blogg als sogenannte "Refrain-Mitsing-Tutorials" vorab veröffentlicht. Und wie wichtig das ist, zeigt sich schon an "Oder an die Freude" - nicht, dass da die Menge zu den berühmten Beethoven-Klängen den Schiller-Text mitschmettert. Holofernes hat aus der Europa-Hymne einen Abgesang auf eine Bauspar-Lebensplanung gemacht: "Freude, schöner Götterfunken, Tochter mach dein Physikum! Wir betreten feuertrunken Eigenheim, o Eigentum."

Auch ihre Kreuzberger Eltern hatten Judith Holfelder-von der Tann, die mit 14 in Freiburgs Fußgängerzone Passanten ansang, sanft in ein Gesellschafts- und Wirtschaftsstudium gedrängt, das sie als "Erfüllerchen" auch anfing. Doch sie wollte das, was sie glücklich macht, nicht aufschieben zugunsten irgendeiner materiellen Sicherheit.

So brach sie ab, stürzte sich ganz in die Musik - und wurde Anfang des Jahrtausends mit ihrer Band Wir sind Helden und schmissiger Konsumkritik à la "Die Reklamation" zum Vorzeige-Fräulein einer neuen Neuen Deutschen Welle im Pop. Die rollt bis heute, nur die Helden ruhen seit fünf Jahren auf unbestimmte Zeit.

Holofernes hat nach einem schönen Buch mit Tiergedichten und ihrem herumtollenden Solo-Debüt nun eine erwachsene, in ihrem Vielklang fokussiert klingende Platte eingespielt. Das kann daran liegen, dass sie Lieder wie "Der letzte Optimist" zusammen mit Teitur Lassen, Songwriter-Star nicht nur in seiner Heimat, zwischen Klippen und Schafweiden auf den Faröer Inseln zur Reife gebracht hat.

Die beiden harmonieren blendend zwischen Ironie und Melancholie. Die angekündigte Überraschung, welcher Stargast mit ihr auf Tour gehen wird, ist denn auch keine: Bei den Tutorials zumindest singt Teitur schon ganz munter mit.

Judith Holofernes, Sa., 18. März, 20.30 Uhr, Muffathalle, Zellstr. 4, 089 / 21 83 73 00

© SZ vom 16.03.17 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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