Vor Gericht:Nach Münchner Amoknacht: Trittbrettfahrer fordert in Droh-Mail Geld vom Sozialamt

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Der Australier fotografierte sich vor dem Blumenmeer am Olympiaeinkaufszentrum und schickte das Foto mitsamt seiner Drohung ans Sozialamt. (Foto: lukasbarth.com)
  • Der psychisch kranke Australier fotografierte sich vor dem Blumenmeer am Olympia-Einkaufszentrum und kündigte an, ebenfalls Menschen zu töten.
  • In seiner E-Mail beschwert er sich beim australischen Sozialamt, dass seine Invalidenrente gekappt wurde.
  • Wegen seiner Erkrankung ging es im Prozess nur um die Unterbringung in der Psychiatrie. Weil der Mann medikamentös gut eingestellt ist, setzte das Gericht diese zur Bewährung aus.

Von Christian Rost

Nach dem Amoklauf des 18-jährigen Schülers David S., der am 22. Juli im Olympiaeinkaufszentrum neun Menschen und danach sich selbst tötete, versuchten Trittbrettfahrer, die ohnehin herrschende Panik in der Stadt weiter zu schüren. Die Sondereinsatzkommandos der Polizei waren tagelang wegen Amokdrohungen im Einsatz.

Am 28. Juli holten sie einen Mann aus einer Münchner Wohnung, der in einer E-Mail an eine australische Behörde angekündigt hatte, eine Vielzahl Menschen zu entführen und zu töten. Der 53-Jährige wurde in die Psychiatrie eingewiesen. Am Freitag beschäftigte sich das Landgericht München I mit dem Fall.

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Der Mann ist Musiker und Discjockey und lebt mit seiner Frau und den drei gemeinsamen Kindern eigentlich im australischen Melbourne. Er leidet an paranoider Schizophrenie und muss regelmäßig Medikamente einnehmen, was er in der Vergangenheit aber nicht immer tat. So im Juli, als er sich in München aufhielt und nach der schrecklichen Bluttat auch im Bereich des OEZ unterwegs war. Jedenfalls verschickte er mit seiner Droh-Mail auch ein Foto von sich, das ihn vor einem Blumenmeer am Einkaufszentrum zeigt. Die E-Mail erhielt ein Mitarbeiter der Rentenabteilung der australischen Sozialbehörde.

Der Musiker beschwerte sich in seiner Nachricht, dass man ihm seine Invalidenrente "gekappt" habe. Deshalb müsse er von geliehenem Geld leben und manchmal bei Verwandten in Deutschland oder auch im Auto übernachten. Schließlich drohte er mit einem Amoklauf, bei dem er "80 oder 90 oder 100 Menschen mitnehmen" werde. "Falls ich das tun muss, um Aufmerksamkeit zu kriegen und um die Wahrheit zu erlangen", hieß es weiter. Abschließend forderte er Geld: "Bitte zahlen Sie mir einen Vorschuss auf mein Konto für Lebensmittel und Medikamente."

Bei der australischen Behörde nahm man die Drohung ernst, obwohl der Musiker in seiner Mail noch betont hatte, dass er psychisch krank sei. Ein Attest hatte er beigefügt. Das Bundeskriminalamt wurde eingeschaltet und der Mann festgenommen. Die Münchner Staatsanwaltschaft hielt ihm Störung des öffentlichen Friedens und versuchte räuberische Erpressung vor. Weil er aufgrund seiner Erkrankung schuldunfähig ist, wie eine psychiatrische Sachverständige vor Gericht bestätigte, konnte er strafrechtlich nicht belangt werden. Die Staatsanwaltschaft war deshalb zunächst der Auffassung, dass der Mann dauerhaft in einer Psychiatrie untergebracht werden müsse. Er sei gefährlich für die Allgemeinheit.

Die Sachverständige meinte, falls sich der Musiker nicht behandeln lasse, könnte er tatsächlich zu Tätlichkeiten neigen, wenn er sich in die Enge getrieben fühle. Inzwischen sei er aber so gut mit Medikamenten eingestellt, "dass es ihm deutlich besser geht". Das Gericht setzte die Unterbringung deshalb zur Bewährung aus. Überglücklich schloss der Mann nach dem Richterspruch seine Frau in die Arme. Noch am Freitag flog er mit ihr nach Melbourne zurück.

© SZ vom 17.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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