Besondere Geschäfte:Was passiert, wenn man in München seine Blase verlässt

Lesezeit: 2 min

Diverseste Läden unter dem selben Dach im Münchner Osten: von der Kinderkrippe bis zum Hanfladen. (Foto: Google)

In einem Gebäude an der Einsteinstraße gibt es einen Afro-Shop, ein Nahrungsergänzungsmittelgeschäft, eine Kita, den Betriebshof der MVG. Gibt es da Überschneidungen bei der Kundschaft?

Von Christiane Lutz

Der Münchner, das lässt sich nicht bestreiten, umgibt sich meist mit seinesgleichen. Die mittelreichen Akademiker mit anderen mittelreichen Akademikern, Eltern mit anderen Eltern. Man sucht das, was man ohnehin kennt. Was die anderen so machen? Keine Ahnung. Wer im Haus nebenan wohnt? Keine Ahnung. Wer die Geschäfte betreibt, an denen viele Tag für Tag auf dem Weg zur Arbeit vorbei kommen? Keine Ahnung. Dabei kann man Erstaunliches finden, wenn man seine Blase mal verlässt und sich richtig umsieht.

Ein Straßenabschnitt im Münchner Osten auf der Einsteinstraße zwischen Leuchtenbergring und Steinhauser Straße lädt besonders dazu ein. Denn dort versammeln sich auf wenigen Metern so unterschiedliche Geschäftsideen und demnach auch Menschen, wie man sie an wenigen Orten in der Stadt findet. Hier ist München gerade nicht mehr das aufgeräumte, aufpolierte München, das die Touristen gern bestaunen. Hier ist der Betriebshof der MVG, in den die Trambahnen zuckeln, der Verkehr donnert recht unansehnlich durch die Straßen.

Leben in der Stadt
:Was an München nervt

Die Wirtschaftskraft, die Lebensqualität, der Fußball: München liegt in vielen Ranglisten weit vorn. Aber in einigen Bereichen schneidet es auch ziemlich schlecht ab.

Von Sebastian Krass

Und hier gibt es ein Geschäft für Sportnahrungsergänzungsmittel, einen "Bio-Hanf-Shop", einen Flugsimulator, in dem man, nun ja, auf dem Boden abheben kann. Zwischendrin steckt seit Neustem die Kita "Einstein Kids", ein EMS-Sportstudio, in dem die Menschen mit umgebundenen Manschetten turnen. Daneben ist das "Toupet-Studio Knoche", in dem schon seit 40 Jahren Haarprobleme gelöst werden. Und es gibt "Chez Nicole", einen winzigen Afro-Shop. Wahrscheinlich war der Kita-Papa noch nie im Afro-Shop, die Kundin des Afro-Shops noch nie im Nahrungsergänzungsmittelgeschäft. Und die meisten Passanten, die täglich vorbei eilen, in keinem dieser Geschäfte jemals.

Der Gebäudekomplex stammt aus den Sechzigerjahren und ist aufgeteilt in Mietwohnungen und gewerblich genutzte Räume. Schaut man sich den Straßenabschnitt auf Google Maps an (von 2008), sieht man unter den gräulichen Fassaden noch ein orthopädisches Studio und ein paar triste Videotheken mit eindeutigem Produktschwerpunkt. Die letzte von ihnen gab erst Anfang dieses Jahres auf. Sie war dort, wo heute der Hanf-Shop ist.

Wer den Gebäudekomplex als Ganzes betrachtet, also einmal um den Block geht Richtung Prinzregentenstraße, stößt auf den neu eröffneten Asia-Supermarkt "iShop", ein Taekwondo-Studio und auf ein Geschäft namens "See and find - Innovationen aus aller Welt", in dem man elektrische Eiskratzer oder Star-Wars-Malbücher kaufen kann.

All diese Geschäfte eint natürlich zum einen ihr Standort, zum anderen der Wunsch der Inhaber, mit ihrem sehr speziellen Angebot Kunden von überall her anzulocken. So geschieht es erstaunlich schnell, dass man sich als Nicht-Zielgruppe fremd fühlt beim Betreten der Geschäfte, fehl am Platz sogar. Am Ende aber die Erkenntnis: Reinschauen lohnt sich. Immer.

© SZ vom 18.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: