Vom Überschall-Flugobjekt zum Papierflieger:Raus aus dem Tresor

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Die Pinakothek der Moderne lädt erstmals sechs Wochen zu einem kostenlosen Ferienprogramm. Geplant sind Ausflüge und Spiele rund um Bilder und Skulpturen

Von Barbara Hordych

Kunst gehört nicht in den Tresor. Zumindest nicht, wenn es nach den Verantwortlichen in der Pinakothek der Moderne geht. Von daher wünschte sich Jochen Meister, Chef der dortigen Kunstvermittlungsabteilung, für diese Sommerferien etwas ganz Besonderes. "Ein sechswöchiges, ganztägiges, kostenloses Programm für Kinder, die nicht in die Ferien fahren. Ein Angebot, das keinen Workshopcharakter hat, sondern jeweils in Blöcken von zwei Wochen die Kinder durch gemeinsames Erleben zu einer richtigen Gruppe zusammenwachsen lässt."

Die Teilnehmer von sechs bis zwölf Jahren sollten sich freuen, wenn sie sich nach dem Wochenende wiedertreffen, erklärt Jochen Meister beim Gespräch in dem sonnengelb erstrahlenden Kunstraum. Der wurde im vergangenen Februar dank einer Anschubfinanzierung der Pin-Freunde in dem Museum eingerichtet. Die Inneneinrichtung besteht aus transportablen Geräten und Möbeln, die jeweils individuell arrangiert werden können. Ausdruck einer Geisteshaltung, die zugleich für Pragmatismus wie für Offenheit steht. Schön erkennbar auch an diesem Julivormittag, an dem eine Museumspädagogin an mehreren großen Tischen mit Schülern arbeitet, während Meister zwei der mit großen Buchstaben beklebten Papphocker am anderen Ende des Kunstraums als Sitzmöbel zusammenrückt.

An jedem Tag des Ferienprogramms werde ein Kunstwerk im Mittelpunkt stehen. Etwa Luigi Colanis schwarze Formstudie eines Überschall-Flugobjekts, das in der Designsammlung von der Decke hängt. "An dieses Objekt kann man dann ganz spielerisch anknüpfen. Etwa mit Experimenten zur Schwerkraft, aber auch mit dem Bau von Papierfliegern", sagt der Vermittlungschef.

In seiner Kindheit habe er selbst gute Erfahrungen mit Ferienspielen in seiner Heimat Hanau gemacht. "Auch meine Eltern konnten nicht sechs Wochen lang mit mir in Urlaub fahren." Zweiwöchige Ferienprogramme seien genau die ideale Zeit gewesen, um sich als Gruppe kennenzulernen, gemeinsam Hütten zu bauen und Lagerfeuer zu machen. "Zugegeben, Lagerfeuer geht hier drinnen wirklich nicht", räumt Meister ein. "Aber praktische Tätigkeiten wie Basteln und Konstruieren sind uns wichtig, dabei wollen wir uns auch so viel wie möglich draußen aufhalten." Überhaupt seien Bewegung und Ausflüge zentrale Anliegen der Organisatoren. "Dazu gehört auch ein Besuch bei der Polizeiwache in der Türkenstraße. "Im Anschluss bietet sich dann die Betrachtung eines Bildes von Max Beckmann an, um zu schauen, wie er Polizisten darstellt", sagt Meister.

Geplant sei auch ein Ausflug in die Hofbräuhaus-Kunstmühle. Der lasse sich dann gut mit einem Abstecher beim "Stillleben mit Brot" in der Alten Pinakothek verbinden. Zu den Themen Farbwahl und Farbgebung sei bereits ein Besuch bei "Kremer Pigmente" in der Barer Straße verabredet. "Dieser Laden für Künstlerbedarf, für historische und moderne Pigmente, ist eine Legende, da müssen wir unbedingt hin." Für die Dauer des Ferienprogramms will der Vermittlungschef, dessen Büro an der Brienner Straße liegt, sich eine Art "Flying Office" in dem von Werner Aisslinger konzipierten Loftcube im Außenbereich der Pinakothek der Moderne einrichten. "Mir liegt daran, in diesen Wochen die Kinder auch persönlich mit in Empfang nehmen zu können", sagt Meister.

Auch über die Verpflegung haben sich die Organisatoren Gedanken gemacht. Mittags werde ein warmes Essen geliefert, den Caterer haben sie sich von Kindertageseinrichtungen empfehlen lassen. "Das sind ja Kontakte und Erfahrungen, die wir im Museum so nicht haben", sagt Meister. Auch dieses Angebot haben die Pin-Freunde mit privatem Geld maßgeblich gefördert. Es lägen bereits zahlreiche Anmeldungen vor, "weil wir schon im Vorfeld bei der Caritas, bei Horten und Kindertageseinrichtungen vorgesprochen haben, um auch Familien zu erreichen, die normalerweise nicht mit ihren Kindern in unser Museum kommen".

Vertreten seien Kinder aus China, Deutschland, England, Frankreich, Griechenland, Italien, Kasachstan, Russland, Spanien, Syrien, Ukraine und USA. "Die müssen allerdings bereits eingeschult sein, denn das Programm wird auf Deutsch durchgeführt", sagt Meister. Ein Sinnbild für das, was in dem neuen Ferienprogramm entstehen kann, baumelt über Meisters Kopf von der Decke des Kunstraums herab: kunstvoll gestaltete Mobiles, die Einheimische in einem Workshop gemeinsam mit Geflüchteten konstruiert haben. "Um sie auszubalancieren, braucht es immer mindestens zwei Personen; alleine schafft man das nicht", sagt Meister.

Ferienprogramm Pinakothek der Moderne , 31. Juli bis 8. September, Barer Straße 40, 23 80 51 98

© SZ vom 17.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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