Viertel-Stunde:Wachgeküsste Oase

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Neuer Mikro-Park: Früher war die Fläche an der Lützowstraße ein verwilderter Spickel. (Foto: privat)

Aus dem verwilderten Grundstück zwischen Alter Allee, Pippinger und Lützowstraße ist dank des städtischen Gartenbaus ein wunderberes Fleckchen Erde geworden, auf dem Kinder, Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen zu ihrem Recht kommen

Von Andrea Schlaier

Darauf wäre in der Nachbarschaft kein Mensch gekommen: Dass auf diesem verwilderten Spickel über 40 Jahre lang irgendwer oder -was darauf wartet, wachgeküsst zu werden. Außer einem vergessenen Klecks Asphalt war zwischen Alte Allee, Pippinger und Lützowstraße nichts übrig geblieben vom Sägewerk Eduard Stadler & Söhne, das hier Mitte der 1970er Jahre sein bauliches Ende fand. Ungestüm wucherte seither das Gras über letzte Holzspäne, an den Rändern schoben sich Birke, Ahorn, Esche und wilde Kirschbäume gen Himmel. Pläne, die Pippinger Straße einmal auf diesem stadteigenen Grund nach Westen zu verschwenken, sind in den 2000er Jahren endgültig in der Schublade verschwunden. Einzig ein paar Kinder von nebenan nutzten das ungezähmte Land, sich unter widerspenstigem Gesträuch Lager zu bauen oder aus den heimischen Gärten Fußballtore anzuschleifen, sobald die städtischen Gärtner oder auch mal der eigene Vater die Mähmaschine angeschmissen hatte und damit zumindest vorübergehend ein Platz zum Bolzen freilag. Innerhalb nur eines Jahres ist die Zahl der Liebhaber für diesen Zipfel Stadtgrün zu einer Gemeinde angeschwollen.

Mitarbeiter des städtischen Gartenbaus haben 2020 inmitten der denkmalgeschützten Bauensembles der Pasinger Villenkolonie auf 1,5 Hektar jede Menge Erde bewegt und eine Oase angelegt: Im Norden ruht nun eine Spiel- und Liegewiese, im Süden eine blühende Bienenweide, auf der sich Menschen zuweilen ein Sträußlein für die heimische Vase stibitzen. Den neuerdings sich im Osten erstreckenden Mikro-Hügel nutzten Schneesportanfänger im langen Winter als Schlittenbergl. Daneben strecken sich warmrote Holzbänke wie Sonnenliegen auf dem Gelände aus; wochenends blättern hier Besucher mit hochgelegtem Beinwerk in ihren Lektüren. Rund um den Platz und einmal mittendurch ist ein Spazierweg angelegt, vorbei an Insektenhotels, Sitzgruppen mit Tisch und Balancier-Balken, an denen sich inzwischen regelmäßig Kindergeburtstagsrunden einfinden. Abends werden sie von Jugendlichen abgelöst - noch üben sich Nachbarn in gedeihlicher Koexistenz.

Eine wundersame Verwandlung hat auf dem noch namenlosen Stückchen Erde eingesetzt, ein für Stadtrand-Verhältnisse ungeahnt urbanes Wimmeln. Stolze 350 000 Euro hat das Wachküssen zum Wohl der großen Nachbarschaft die Stadt gekostet.

© SZ vom 26.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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