Viertel-Stunde:Mutig dem Eis getrotzt

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Pate für eine Straße: Polarforscher Carl Weyprecht. (Foto: privat)

Eine Straße ganz im Norden der Stadt erinnert an den Polar-Forscher Carl Weyprecht, dessen Expedition drei Jahre dauerte

Kolumne von Berthold Neff

Es passt ganz gut, dass die Straße, die den Namen dieses mutigen Mannes trägt, ganz im Norden der Stadt an der U-Bahn-Station Harthof vorbeiführt. Denn es war der hohe Norden, von dem sich Carl Weyprecht magisch angezogen fühlte. Von 1872 bis 1874 leitete er mit Julius Payer die österreich-ungarische Nordpolexpedition. Als die zwei Dutzend Männer 1874 wie durch ein Wunder zurückkehren, nach dreijährigem Kampf gegen das Eis, den Sturm, das Meer, Eisbären und die Finsternis der Polarnacht, werden sie als Helden gefeiert.

Weyprecht, am 8. September 1838 in Darmstadt geboren, im damaligen Großherzogtum Hessen, orientierte sich zunächst nach Süden. Mit 18 Jahren tritt er in die österreich-ungarische Kriegsmarine ein, zeichnet sich 1866 in der Seeschlacht von Lissa durch große Tapferkeit aus. Später schickt ihn die Marine nach Mexiko. 1870 hat er die Aufgabe, in Tunis die totale Sonnenfinsternis zu beobachten. Zwei Jahre später geht sein Traum von der Arktis in Erfüllung. Als Kommandant der Admiral Tegetthoff sticht er in See, Payer soll für die Aktionen an Land das Kommando führen. Der ist eine Künstlernatur, formuliert, zeichnet und malt hervorragend, während Weyprecht herb und einsilbig auftritt und öffentliche Auftritte scheut. Auf Unverständnis stößt, dass er für die Expedition keine Seeleute aus dem Norden verpflichtet, sondern auf die Kroaten und Italiener setzt, die er bei der Marine befehligt hat. Sie enttäuschen ihn nicht und schaffen es, zwei lange Winter im ewigen Eis zu überstehen.

Am 13. Juni 1872 lichtet ihr Schiff in Bremerhaven den Anker, schon am 21. August gerät es ins Packeis. "Wie die Volksmenge bei einem Aufstande, so erhob sich jetzt alles Eis wider uns", beschrieb Payer die Situation. Hilflos driften sie nach Nordwesten, und "als weißes Gespenst streckt das Schiff seine Arme gegen den Himmel". Die Männer richten sich in ihrem weißen Gefängnis ein. Sonntags liest Weyprecht seinen Leuten aus der Bibel vor, auf Italienisch, die Lingua franca an Bord. Der Entdeckerdrang dieser Männer trotzt aller Existenzangst. Am 30. August 1873 sichten sie im Norden rauen Fels. Payer wagt den Weg über die Eisschollen und nennt die Inseln zu Ehren des Kaisers Franz-Josef-Land. Sie erkunden es bei zwei Expeditionen. Weyprecht bereitet unterdessen die Rückkehr vor. Am 20. Mai 1874 geben sie das Schiff endgültig auf, packen ihr Hab und Gut auf Schlitten und hoffen auf das Meer, um sich ihm in den Rettungsbooten anzuvertrauen. Nach zwei Monaten sind sie kaum 15 Kilometer vom Schiff weggekommen. Aber sie geben nicht auf.

Knapp drei Monate später, an Mariä Himmelfahrt, schöpfen sie Hoffnung. "Wie die Stimme des Lebens schlug das rhythmische Brausen der Meereswogen wieder an unser Ohr", schreibt Payer. Sie stechen in See. Als ihr Proviant kaum noch für zehn Tage reicht, gehen sie auf der Insel Nowaja Semlja an Land. Russische Fischer bringen sie nach Norwegen.

Carl Weyprecht regt eine internationale Zusammenarbeit zur Erforschung des Nordpols an, hat aber keine Kraft mehr, selbst mitzuwirken. Er erkrankt an Lungentuberkulose und stirbt in Hessen am 29. März 1881, nur 42 Jahre alt.

© SZ vom 12.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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