Viertel-Stunde:Dem Tod die Stirn geboten

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Spät geehrt: Gerhard Domagk. (Foto: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo)

Er war der Mann, der die Bakterien besiegte. Heute würde einer wie der Forscher Gerhard Domagk, dem in München eine Straße und ein Wohnviertel gewidmet sind, sicher den Kampf gegen das Virus aufnehmen

Kolumne von Berthold Neff

Der Mann hatte sich geschworen, in den Kampf zu ziehen gegen die Bakterien, die den Menschen "heimtückisch und meuchlings morden, ohne dass man den Feind erkennt und gegen ihn etwas unternehmen kann", wie er später sagte. Gerhard Domagk, Sohn eines Lehrers aus dem brandenburgischen Dörfchen Lagow, stand als Medizinstudent in den Feldlazaretten des Ersten Weltkriegs dem Tod oft machtlos gegenüber - und wurde so zum Forscher. Erst mixte er ein hochwirksames Desinfektionsmittel. Und dann wurde er berühmt, weil seine Medikamente Millionen Menschenleben retteten.

Im Dienst der IG Farben in Wuppertal experimentierte er in den Zwanzigerjahren mit sulfonamidhaltigen Azofarbstoffen. Er infizierte Mäuse mit Streptokokken und injizierte ihnen danach ein rotes Mittel, das sie - anders als die unbehandelten Mäuse - überleben ließ. Das Medikament wurde Prontosil genannt und rettete Frauen vor dem Kindbettfieber, Soldaten vor dem Wundbrand, bewirkte Wunder bei Lungenentzündungen und der Bazillenruhr. Noch vor der Zulassung erprobte er es an seiner Tochter. Sie hatte sich an der Hand verletzt, die Wunde eiterte, die Chirurgen rieten zur Amputation. Prontosil jedoch, das ihr Domagk im Dezember 1933 verabreichte, rettete die Hand. Im Februar 1935 trat er mit seiner Arbeit an die Öffentlichkeit. Am 26. Oktober 1939, vier Tage vor seinem 44. Geburtstag, weckte ihn um Mitternacht ein Telegramm aus Stockholm: Man bot ihm den Nobelpreis für Medizin an.

Adolf Hitler aber hatte befohlen, dass kein Deutscher den Nobelpreis annehmen dürfe, seitdem der Pazifist Carl von Ossietzky, den die Nazis ins KZ gesperrt hatten, mit dem Friedensnobelpreis geehrt worden war. Domagk bedankte sich dennoch in Stockholm und schlug in einem Brief vom 8. November an Hitler vor, das Preisgeld für "die Pflege von deutschen Verwundeten und solchen des Feindes" in deutscher Hand zu verwenden. Am 17. November wurde er von der Gestapo in Wuppertal verhaftet. Nach vier Tagen "Ehrenhaft" kam er frei und musste in Berlin einen von der Gestapo aufgesetzten, ablehnenden Brief unterzeichnen. Reinhard Heydrich, Chef des Sicherheitsamts, resümierte danach, Domagk habe "durch sein illoyales Verhalten die Interessen des Deutschen Reiches nicht in der erforderlichen Form gewahrt".

Bei den Machthabern fiel er nicht in Ungnade. Er war zwar kein NSDAP-Mitglied, galt aber als "ein immer national gesinnter Mann". Sie schickten ihn auf Vortragsreisen, 1943 wurde er Ehrenmitglied des Robert-Koch-Instituts. Neue Forschungsergebnisse legte er erst nach dem Krieg vor, 1946 gelang ihm die erste Heilung der Hauttuberkulose Lupus vulgaris. Ein Jahr später erhielt er aus der Hand des schwedischen Königs Gustav V. doch noch den Nobelpreis. Danach trat er als Schöpfer der Tuberkulose-Mittel Conteben und Neoteben in Erscheinung, die wiederum vielen das Leben retteten.

Sein eigenes ging mit 68 Jahren zu Ende. Er starb am 24. April 1964 auf seinem Landsitz in Burgberg im Schwarzwald. In München erinnern Domagkstraße und Domagkpark seit 1966 an den Mann, der die Bakterien besiegte - und heute sicher dem Virus die Stirn bieten würde.

© SZ vom 18.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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