Verhüllung des Friedensengels:Vom Winde verweht

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Gewagtes Ansinnen: Der Künstler Wolfram Kastner möchte den Friedensengel mit einem Tarnnetz verhüllen. Nicht nur das Baureferat ist skeptisch.

Bernd Kastner

Die Stadt hat einen Engel, der ist golden und schwebt über der Isar. Und sie hat Wolfram Kastner, Künstler von Beruf und Provokateur aus Leidenschaft, gegen das Vergessen, für das Nachdenken. Kastner will den Friedensengel während der alljährlichen Sicherheitskonferenz mit einem militärischen Tarnnetz verhängen und so eine Diskussion über Krieg und Frieden anstoßen. Ein gewagtes Ansinnen in dieser braven Stadt ist das, und offenbar so brisant, dass sich der Ältestenrat damit beschäftigt.

Der Künstler und Provokateur Wolfram Kastner möchte den Friedensengel mit einem Tarnnetz verhüllen. (Foto: Foto: ddp)

Zuständig für die Engelsverhüllung ist das Baureferat in der Friedenstraße. Rosemarie Hingerl, die Chefin, lehnt ab, weil: der Wind! Es verdopple sich die "Windangriffsfläche" der Skulptur. Kastner erwidert, dass diese im letzten Krieg alle Bomben und Stürme überstanden habe, verhüllt. Hingerl kontert mit der "Einschätzung", nicht Berechnung, eines "unabhängigen Statikbüros": Der Wind! Im dritten Engels-Brief verweist sie auf DIN 1055, "Windlasten", sorry, und man meint zu spüren, wie dankbar die Verwaltung dem Wind ist, denn dessen Angriff ist so schön unpolitisch.

Dialog, Diskussion und keine Geheimnisse

Nun hat Kastner ein Vorbild, das heißt Christo, und der musste auch erst Jahre streiten, ehe er den Reichstag verhüllen durfte. Also geht Kastner samt Anwalt persönlich in die Friedenstraße, und dort, berichtet er, sagt ein Beamter: Naja, wenn Kastner eine positive statische Berechnung vorlege, dann könne man nochmal darüber reden. So weit kommt es aber nicht. Der Ältestenrat nimmt sich des Engels an, was durchaus für Kastners Idee spricht, denn die Ältesten widmen sich der ganz wichtigen und diffizilen Dinge der Stadt. Aber sie sagen nein. Nicht öffentlich, ohne Begründung, ohne Protokoll, ohne Berechnung, einfach nein.

Nein? Kastner, der gegen alle Widerstände auch die jährliche Lesung auf dem Königsplatz aus Büchern, die die Nazis verbrannt hatten, etabliert hat, will Dialog, will Diskussion, keine Geheimnisse. "Man kann nur miteinander reden, wenn man Argumente offenlegt." Er will wissen, ob das Nein politisch oder technisch begründet ist. "Ich dachte, Demokratie ist eine öffentliche Angelegenheit."

© SZ vom 23.07.2009/ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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