Verhandlung:Lichte Stellen statt volles Haar

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Kläger zieht seine Berufung gegen Schönheitsklinik zurück

Von Stephan Handel

Ein dünner, heller Strich am Nacken, oben Haare, unten Haare - das war einmal eine einigermaßen angesagte Trendfrisur. Auch der Hinterkopf von Volker N. ( Name geändert) zeigt einen solchen Strich. Bei ihm allerdings ist er nicht das Ergebnis von Coiffeurkunst, sondern einer schiefgegangenen Haar-Transplantation. Dafür wollte er am Donnerstag vor dem Oberlandesgericht Schadenersatz und Schmerzensgeld erstreiten.

31 Jahre ist Volker N. heute, aber schon vor mehr als fünf Jahren war er mit seiner Haarpracht - beziehungsweise deren Fehlen - unzufrieden. Vor allem die Geheimratsecken machten ihm zu schaffen. Deshalb wandte er sich an eine Klinik für Schönheitschirurgie in der Maxvorstadt. Dort wurde er im Dezember 2013 operiert, nach der sogenannten FUT-Methode. Dabei wird am Hinterkopf ein Streifen Haut nebst der darin steckenden Haare herausgeschnitten, die Haarfollikel werden dann an der gewünschten Stelle wieder eingesetzt. Rund 7000 Euro kostete der Eingriff.

Allerdings gab es Komplikationen - die OP war an einem Freitag, am Sonntag entwickelte sich eine Entzündung, die Einsatzstelle nässte und verschorfte schließlich. In der Klinik war am Wochenende kein Arzt verfügbar. Volker N. behielt am Vorderkopf Narben zurück, und mit der Heilung der Schnittstelle hinten war er auch nicht zufrieden. Vor dem Landgericht bekam er teilweise recht und insgesamt 20 000 Euro zugesprochen - die Klinik bezahlte sofort, was einigermaßen erstaunlich ist, denn das Urteil war ja noch nicht rechtskräftig.

Volker N. ging trotzdem in Berufung, hatte aber vor dem Oberlandesgericht keinen Erfolg, im Gegenteil: Als Thomas Steiner, der Vorsitzende Richter, ihm erklärte, dass der Arzthaftungs-Senat wahrscheinlich anders urteilen werde als das Landgericht, ihm höchstens Schmerzensgeld und Schadenersatz von weniger als 3000 Euro zusprechen würde - wenn überhaupt - und der Kläger dann möglicherweise den Rest der bereits erhaltenen 20 000 Euro zurückzahlen müsste, nahm Volker N. seine Berufung lieber zurück.

Der Grund für die Meinung des Gerichts liegt in den Feinheiten des Arzthaftungsrechts: Der Kläger, also der Patient, muss beweisen, dass es einen Behandlungsfehler gab, dass der Arzt diesen Fehler zu verantworten hat, dass ein Schaden entstanden ist und dass der Fehler Ursache für diesen Schaden ist. Nur wenn ein grober Behandlungsfehler vorliegt, kehrt sich die Beweislast um, und der Arzt muss nachweisen, dass er trotzdem nicht schuld am Schaden ist.

So weit ging es aber in diesem Fall nicht - obwohl der medizinische Gutachter Hans Wolff von der Dermatologie der Ludwig-Maximilians-Universität München durchaus nicht mit allem einverstanden war, was seine Kollegen an der Privatklinik geleistet hatten. Wolff bemängelte vor allem, dass in der Klinik am Sonntag kein Arzt zu erreichen war - "das halte ich bei frisch Operierten für dringend erforderlich". Aber einen groben Behandlungsfehler als Ursache für die Folgen konnte er nicht erkennen.

© SZ vom 01.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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