Verdacht auf illegale Absprachen:Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Bahn-Kartell

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Die Staatsanwaltschaft München hat 16 Betriebe im Visier: Sie sollen bei der Ausschreibung für die Überwachung von Bauarbeiten auf S-Bahnhöfen die Preise abgesprochen - und damit einen Millionenschaden verursacht haben.

Von Marco Völklein

Die Staatsanwaltschaft München ermittelt gegen 16 Unternehmen aus München und anderen Städten wegen des Verdachts wettbewerbswidriger Absprachen. Bereits am Dienstag hatten Polizeibeamte bundesweit 20 Objekte durchsucht - darunter neben Firmenräumen in München und Bayern auch Büros in Gelsenkirchen, Chemnitz und im Raum Stuttgart, wie der Sprecher der Staatsanwaltschaft München I, Peter Preuß, bestätigte. Ermittelt werde gegen zwei Beschuldigte. Ins Rollen gebracht hatte die Ermittlungen eine Anzeige der Deutschen Bahn. Zudem hatte der Schienenkonzern bei der Landeskartellbehörde Beschwerde eingelegt.

Im vergangenen Jahr hatte die Bahn Bauarbeiten in den S-Bahnhöfen Hauptbahnhof, Stachus, Marienplatz, Isartor und Rosenheimer Platz gestartet, um dort unter anderem den Brandschutz zu ertüchtigen. Die Arbeiten setzt der Konzern auch in diesem Sommer fort. Damit die Arbeiter auf den Gleisen gesichert sind, ist der Konzern verpflichtet, sogenannte "Sicherungsposten" aufzustellen. Mitarbeiter in gelben Warnwesten stehen etwas abseits der eigentlichen Baustelle und warnen mit einer lauten Tröte - und notfalls indem sie eine Flagge schwenken - die Bauarbeiter vor einem herannahenden Zug. Diese Sicherungsposten sind in der Regel keine Mitarbeiter der Bahn; vielmehr beauftragt der Konzern damit externe Dienstleister.

Auch für die Sanierungsmaßnahmen in den Tiefbahnhöfen der Innenstadt im vergangen Jahr hatte der Konzern solche Sicherungsaufgaben ausgeschrieben. Nach Auskunft der Staatsanwaltschaft hatte sich aber in einer ersten Runde lediglich eine aus einigen Firmen bestehende Bietergemeinschaft beworben - und das, obwohl die Bildung einer solchen Bietergemeinschaft "gar nicht erforderlich gewesen wäre", wie Preuß sagt. Der Effekt war letztlich, dass die Bahn keinerlei Auswahl unter verschiedenen Anbietern hatte. Dabei ist es ja Sinn und Zweck einer Ausschreibung, mehrere Angebote einzuholen - und dann das in der Regel günstigste auszuwählen.

Die Bahn startete daraufhin eine zweite Ausschreibung, teilte die Sicherungsleistungen in fünf Lose auf (für jeden Bahnhof eines) und versuchte so, den Wettbewerb anzuheizen. Doch auch in dieser zweiten Runde reichte laut Staatsanwaltschaft für vier der fünf Lose nur die Bietergemeinschaft Angebote ein. Zudem wuchs die Bietergemeinschaft laut Bahn von zunächst 13 auf 16 Firmen an. "Durch die überhöhten Gebote beliefen sich die Zusatzkosten für die Deutsche Bahn auf einen siebenstelligen Betrag", sagte ein Bahnsprecher. Konkretere Angaben machte er nicht. Auch Preuß äußerte sich zur Schadenssumme nicht.

Die Ermittlungen richten sich nach Angaben der Staatsanwaltschaft zunächst gegen zwei Beschuldigte, die sich auf freiem Fuß befinden. Einer der beiden soll als Sprecher der Bietergemeinschaft aufgetreten sein; der zweite Beschuldigte sei Inhaber eines der beteiligten Unternehmen. Andere Schienennetzbetreiber neben der Deutschen Bahn wurden von dem mutmaßlichen Kartell offenbar nicht geschädigt. Erkenntnisse dazu liegen der Staatsanwaltschaft jedenfalls nicht vor. Auch die Münchner Stadtwerke müssen bei Baustellen im Gleisbereich der Tram regelmäßig Sicherungsposten aufstellen - zumindest dann, wenn die Bauarbeiten während des Trambahnbetriebs laufen. Das Unternehmen prüfe regelmäßig "ob und inwieweit wir durch solche Absprachen geschädigt werden", erklärte ein Sprecher.

Die Deutsche Bahn ist immer wieder Opfer wettbewerbswidriger Absprachen. Zuletzt hatte ein mutmaßliches Kartell mehrerer Stahlkonzerne Aufsehen erregt. Die Firmen sollen in den vergangenen 30 Jahren untereinander die Preise für Schienen, Weichen sowie andere Bauteile abgesprochen haben. Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen dazu laufen noch. Dabei soll nicht nur die Deutsche Bahn geschädigt worden sein; auch viele kommunale Verkehrsbetriebe haben offenbar überhöhte Preise gezahlt. Darunter befinden sich auch die Münchner Stadtwerke, die unter anderem beim Bau der Tramstrecke nach St. Emmeram geprellt worden sein sollen.

© SZ vom 25.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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