Unterschleißheim:Teigtaschen voller Gastfreundschaft

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Heimat am Herd: In Lohhof kocht der Syrer Imad für die Mitbewohner und hofft, dass seine Familie bald kommt

Von Simon Schramm, Unterschleißheim

Freitag, Feierabend, Kochen in einer Männer-WG in Lohhof. Imad, der Koch unter ihnen, brät Erbsen und Hackfleisch in der Pfanne an. "Da fehlt Knoblauch", sagt Chefkoch Imad, sein Assistent Raed eilt zum Kühlschrank, holt eine Zehe und schneidet sie eilig klein. Auf der Platte nebenan wird im Topf langsam das Frittier-Öl warm. Die gesamte Küche duftet nach Fett, Imad probiert die Erbsen: "Ich habe Hunger", sagt er und grinst.

Insgesamt acht Männer leben in dieser Wohngemeinschaft in einem Wohnheim in Unterschleißheim, in dem Imad, 32, und Raed, 37, das Abendessen zubereiten. Sie alle haben in Syrien gelebt, dort Familien gegründet und einen Beruf ausgeübt. Der Bürgerkrieg hat sie zur Flucht aus ihrer Heimat gezwungen, über unterschiedliche Wege gelangten sie in den vergangenen zwei Jahren nach Europa - über Italien oder Griechenland. Endlich auf deutschem Boden, gerieten sie in Bayern in eine Polizei-Kontrolle und wurden zur Erstaufnahmestelle in München gebracht. Seitdem leben sie in der Stadt.

Seit etwa zwölf Monaten gibt es die WG in dieser Konstellation, die Männer kannten sich bis dahin nicht, sind aber jetzt in der neuen Umgebung Freunde geworden. "Schicksalsgemeinschaft" nennt Heidrun Vollmer die kleine Gruppe; sie wohnt in dem Viertel im Münchner Norden, betreut die Männer seit etwa einem Jahr ehrenamtlich, unterstützt sie bei Behördengängen und sonstigen Problemen. "Deutsche Tante" nennen die Männer sie liebevoll. Wer die Männer besucht, wird auf höfliche Menschen treffen, die sich eingelebt haben. "Wir kochen jeden Tag zusammen", sagt Imad, "ich liebe kochen."

Landestypisches Essen. (Foto: Robert Haas)

Wie das Gericht für diesen Freitagabend heißt? "Sambousek", sagt Imad, es sind gefüllte Teigtaschen. Imad ist gelernter Bäcker, in seiner Heimatstadt Idlib im Norden Syriens besaß er eine kleine Bäckerei. Dort hatte er zum Beispiel auch Pizza und Baclava, süßes türkisches Honiggebäck, hergestellt. "Bäcker, Kochen, das ist mein Hobby und mein Beruf", erzählt Imad in nüchternem Ton. Seinem konzentrierten Blick beim Kochen sieht man seine Begeisterung für seine Gerichte an, schon am Vortag hat Imad etwa 30 bis 40 der Teigtaschen vorbereitet, talentiert und detailverliebt: Je nach Füllung sind die Taschen unterschiedlich. Die mit runder Form ausgeschnittene Teigfläche hat er für die Spinatfüllung zum Beispiel zu einem dreieckigen Stern zusammengelegt, für die Käse-Taschen hat Imad den Rand mit dem Gabelabdruck markiert, für die Fleischfüllung schließlich fixiert Imad immer den linken Zeigerfinger auf der Fläche und rollt mit dem rechten Finger den Teigrand übereinander. "Das Gericht ist auch im Libanon und in Saudi-Arabien beliebt", sagt Imad. Ob ihm München gefällt, was hat er bisher von der Stadt gesehen? "Wir waren im Zoo! Es sind so viele Eindrücke. München ist sehr schön", sagt Imad. Er legt die Taschen in das heiße Öl - es zischt, Imad weicht vorsichtig zurück und legt dann weitere ein.

Die syrischen Flüchtlinge Raed, Imad und Ahmad (von links) stehen jeden Tag gemeinsam am Herd in ihrer Wohngemeinschaft. (Foto: Robert Haas)

Einen Monat und 20 Tage. So lange dauerte Imads Flucht nach Deutschland, er kann es genau beziffern. Ende 2013 entschied er, Syrien zu verlassen, zunächst brachten er und sein Bruder ihre Familien in die Türkei. Danach fuhren die Brüder in einem Autobus durch ganz Europa, ihr Ziel war eigentlich Stuttgart, wo bereits ein Verwandter lebt. Auch Raed hat eine solche Flucht hinter sich. Während er die Schale von Mandeln löst, die im warmen Wasser liegen, berichtet er von seiner Reise. "Ich war erst nach Libyen geflüchtet und bin mit dem Schiff nach Italien gekommen." Viele Flüchtlinge seien auf dem Schiff gewesen - "Es war nicht so groß, wir waren so", sagt Raed und klemmt seine zehn Finger ineinander, um die Situation auf dem Schiff zu beschreiben. War es sehr eng? "Ja, genau, eng", sagt Raed, der seit einiger Zeit einen Deutsch-Kurs besucht.

Teigtaschen, Reis und Hack-Pfanne sind fertig, die Mandeln angeröstet, in das Frittier-Öl legt Imad jetzt noch klein geschnittenes arabisches Brot ein, als Zusatz zum Salat. Seit etwa einem Jahr also leben die Syrer in München. Wie soll es nun weitergehen? Raed wird demnächst die WG verlassen und mit seiner Familie in eine eigene Wohnung ziehen. Imad hofft, dass auch bei ihm die Zusammenführung mit seiner Familie in den kommenden Monaten klappt; während er Teller mit Reis füllt, darauf das gebratene Hackfleisch mit Erbsen und die gerösteten Mandeln schichtet, erzählt Imad, wie gern er auch wieder als Bäcker arbeiten würde, hier in München, nicht nur für seine Freunde, sondern in einer Bäckerei.

Der Küchentisch biegt sich nun förmlich unter Sambousek-Taschen und frischem Salat. Imad serviert jedem seiner Gästen einen Reis-Teller - "bitte schön", sagt er zuletzt. Und dann wird gemütlich gegessen.

© SZ vom 23.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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