Regisseur Joachim Masannek:"Man dachte, Fußball sei Gift fürs Publikum"

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Wer kennt schon Joachim Masannek? Der Münchner Filmregisseur hat mit seiner Reihe über die wilden Fußballkerle zehn Millionen Kinder ins Kino gelockt. (Foto: Robert Haas)

Zehn Millionen Kinder haben "Die wilden Kerle" im Kino gesehen. Nun präsentiert Regisseur Joachim Masannek einen neuen Film - mit einem ganz anderen Thema.

Interview von Josef Grübl

Dieser Mann weiß, was Kinder wollen: Joachim Masannek hat "Die wilden Kerle" erfunden, zehn Millionen Kinder sahen die Fußball spielenden Kerle im Kino. Einen sechsten Teil der Reihe hat er gerade abgedreht, vorher startet aber noch ein anderer Film von ihm: "V8 - Die Rache der Nitros". Das ist der zweite Teil eines Kinder-Rennfahrerfilms und läuft diese Woche an. Der Münchner Autor und Regisseur sieht diesem Termin mit gemischten Gefühlen entgegen. Im Interview erzählt er, warum.

SZ: Herr Masannek, was braucht denn ein erfolgreicher Kinderfilm?

Joachim Masannek: Wenn ich das nur wüsste. Nach den Wilde-Kerle-Filmen habe ich ja mit "V8" einen neuen Kinderfilm gemacht. Es ist aber nicht so einfach, Kindermarken erfolgreich zu etablieren.

Der erste Teil von "V8" war ein Flop. Vielleicht zieht Fußball einfach mehr?

Das weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass am Anfang auch keiner an "Die wilden Kerle" geglaubt hat. Der Verleih hatte sogar das Wort "Fußball" aus dem Titel genommen, die Buchvorlagen hießen ja "Die wilden Fußballkerle". Man dachte, Fußball sei Gift fürs Publikum.

Also glaubten Sie, man könne es auch mit illegalen Kinderautorennen probieren?

"V8" war eine neue Marke, die erst aufgebaut werden musste. Bei "Die wilden Kerle" war das auch so, da habe ich aber vorher ganz viele Lesungen gemacht, bestimmt an die tausend. Das hat klein angefangen, einmal war nur eine Mutter mit einem Säugling da. Am Ende kamen aber mehr als tausend Leute. So hat sich das herumgesprochen.

Bei "V8" reicht es nicht, meinen Namen auf das Filmplakat zu schreiben, weil die Kinder "Die wilden Kerle" kennen und nicht unbedingt den Namen Masannek. Außerdem sind Kinder unwahrscheinlich markenloyal. Ich habe auch einige andere Bücher geschrieben, werde aber immer nur gefragt: Wann kommt der nächste Wilde-Kerle-Film?

Der erste Teil von "V8" floppte, auch für den zweiten Teil, "Die Rache der Nitros", der jetzt anläuft, rechnet Masannek nicht mit einem Erfolg. (Foto: N/A)

Den haben Sie aber zunächst einmal nicht gemacht, sondern gleich noch eine Fortsetzung von "V8". Wieso das denn?

Wir haben den gedreht, bevor der erste Teil ins Kino kam. Alle waren fest davon überzeugt, dass der Film funktioniert. Die Testscreenings liefen super, und die Kinder, die ihn gesehen haben, fanden ihn toll. Der Verleih wusste aber schon drei Wochen vorher, dass die PR-Strategie nicht aufgehen würde. Ein paar Tage vor Kinostart haben sie dann auch ihre Prognose von einer Million Zuschauern auf hunderttausend heruntergestuft.

Immerhin lagen sie damit richtig: Recht viel mehr wurden es auch nicht. Wenn das jemand geahnt hätte, wäre die Fortsetzung nie gedreht worden oder?

Genau. Der Film wurde von Universal Pictures herausgebracht. Dieser Verleih sitzt zwar in Deutschland, wird aber stark aus Amerika gesteuert. Nach den Ergebnissen des ersten Teils haben sie alles weitere gestoppt. Wenn sie nicht müssten, würden sie den zweiten Teil auch nicht herausbringen.

Wieso müssen sie ihn herausbringen?

Das liegt an den Förderverträgen. Sie sind dazu vertraglich verpflichtet, also kommt er diese Woche mit hundert Kopien heraus. Allerdings wird kaum Werbung für den Film gemacht, in den Kinos hängen keine Plakate. Es wird schlicht kein Geld ausgegeben.

Damit dürfte Ihnen aber klar sein, dass auch dieser Film floppt?

Ich rechne mit fünftausend Zuschauern insgesamt.

Die Aussichten für Ihren nächsten Film sind dafür umso besser: Sie haben gerade "Die wilden Kerle 6" abgedreht, im Februar soll er in die Kinos kommen. Warum machen Sie nach so langer Pause mit dieser Reihe weiter?

Bei den jüngsten Wilde-Kerle-Filmen wurde es immer schwieriger, eine Geschichte zu finden, die alle Fans der Reihe angesprochen hat. Unsere Hauptzielgruppe waren ja die Fünf- bis Zwölfjährigen, gleichzeitig gab es auch viele Mädchen im Teenageralter, die für die Jungs geschwärmt haben.

Mit dem neuen Film haben wir einen Weg gefunden, der für beide Gruppen taugt: Er ist eine Hommage an den allerersten Film, deswegen treten auch die erwachsen gewordenen Jungs noch einmal auf. Es ist ein Abschied von der Kindheit, gleichzeitig gibt es eine Staffelübergabe an eine neue Mannschaft.

Der letzte Teil der Reihe liegt sieben Jahre zurück. Ist Ihre Zielgruppe nicht längst aus dem Wilde-Kerle-Alter heraus?

Bei den Fünf- bis Zwölfjährigen von heute ist die Marke unglaublich beliebt. Auch bei den Mädchen, die damals für die Jungs geschwärmt haben, ist das Interesse groß: Von den fünfhunderttausend Leuten, die sich in den ersten Tagen auf Youtube den Trailer des neuen Films angesehen haben, waren zwei Drittel junge Frauen zwischen siebzehn und dreiundzwanzig.

Ihre Söhne Leon und Marlon waren Stammspieler in den Wilde-Kerle-Filmen. Machen sie noch etwas mit Schauspielerei?

Nein. Sie treten zwar noch einmal im neuen Film auf, ansonsten stehen sie auf eigenen Beinen. Marlon hat seinen Bachelor in Architektur gemacht und ist gerade ein Jahr auf Bali, um Bambusbau zu lernen. Leon lebt in Berlin und träumt davon, sich selbst zu versorgen. Er will aber auch noch studieren.

Wieso zitieren Sie eigentlich in Ihren Filmen ständig Hollywood-Hits wie "Mad Max" oder "The Fast and the Furious"?

Ich klaue halt bei den Filmen, die die Kinder noch nicht gesehen haben ( lacht). Leider kann man solche Genre-Filme in Deutschland nicht machen. Das war einmal anders, in den Sechzigerjahren gab es auch die "Nibelungen"-Filme oder die "Winnetou"-Reihe. Genre-Stoffe darf man aber heute nur mit Kindern machen - und deshalb mache ich sie auch. Kinder lieben fremde Welten, mehr noch als Erwachsene.

Haben Sie denn nicht irgendwann genug von Kindern und Fußball?

Nein. Die bisherigen Wilde-Kerle-Filme haben sich ja ständig weiterentwickelt, so dass es durchaus unterschiedliche Filme wurden. Daher habe ich auch keine Angst davor. Ich bin da eher wie Steffi Graf, die einmal gesagt hat: "Ich denke immer nur bis zum nächsten Punkt."

Heißt das, dass Sie bald wieder jedes Jahr einen neuen Wilde-Kerle-Film drehen?

Wenn es gut läuft, ja.

© SZ vom 27.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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