Tödlicher Sturz aus U-Bahn:Todeswette

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Das Rätsel um den tödlichen Sturz aus der fahrenden U-Bahn scheint gelöst: Offenbar hatte der tödlich verunglückte Hausmeister mit Freunden gewettet, die Tür auch während der Fahrt öffnen zu können. Tragisch für den Verunglückten war der Zufall, sich in einem U-Bahn-Zug älterer Bauart zu befinden.

Florian Fuchs und Dominik Hutter

Das Rätsel, wie der 28-Jährige in der Nacht von Freitag auf Samstag zwischen Innsbrucker Ring und Ostbahnhof aus der fahrenden U-Bahn fallen konnte, scheint gelöst: Offenbar hatte der tödlich verunglückte Hausmeister mit Freunden gewettet, die Tür der U-Bahn auch während der Fahrt öffnen zu können. Was ihm dann wohl mit viel Gewalt tatsächlich gelang.

Die Untersuchungen dauern allerdings noch an, am Montag wurden weitere Zeugen befragt, Sachverständige untersuchten den Unfallzug. Für den Nachmittag war die Obduktion anberaumt: Dabei geht es auch um die Frage, ob der 28-Jährige tatsächlich wie von Augenzeugen geschildert zur Unfallzeit betrunken war.

Wie die Polizei am Montag mitteilte, befand sich der Münchner nachts gegen ein Uhr zusammen mit sieben weiteren Personen auf dem Heimweg von einer Geburtstagsfeier am Messegelände. Eine unbeteiligte Zeugin, die im selben Waggon saß, gab der Polizei den entscheidenden Hinweis: Demnach gab es ein Gespräch zwischen den Bekannten, ob es möglich ist, während der Fahrt eine U-Bahn-Tür zu öffnen. Offenbar versuchte der 28-Jährige dann tatsächlich, genau dies zu beweisen - und fiel etwa 300 Meter nach der Anfahrt des Zuges am Innsbrucker Ring aus der geöffneten Tür. Er starb aufgrund schwerer Schädelverletzungen nach dem Aufprall auf die Gleise.

Unklar ist noch, ob der Verunglückte die Tür selbst aufgerissen hat oder mehrere Personen daran beteiligt gewesen waren. Denn es wird enorme Kraft benötigt, um die Tür zu öffnen - laut MVG ist dies nur "mit gezielter Manipulationsabsicht und grober Gewalt" möglich. Die Gutachter fanden später an der Tür eine Wölbung am Türblatt. Die MVG will nicht ausschließen, dass dies "auf Gewalteinwirkung zurückzuführen ist".

Dass die Türen überhaupt per Hand aufgewuchtet werden können, liegt daran, dass im Notfall Rettungskräfte von außen rasch in den Zug kommen müssen. Wie groß der Widerstand ist, bestimmt eine gesetzliche Norm. Verriegelt sind die Türen während der Fahrt sowohl per Luftdruck als auch mit einer Mechanik. Tragisch für den Verunglückten war der Zufall, sich in einem U-Bahn-Zug älterer Bauart zu befinden. Die neuen Waggons haben gar keine Türhebel mehr - und eine völlig glatte Tür ist deutlich schwerer aufzuhebeln als eine mit Griffen.

Der U-Bahn-Fahrer hat übrigens mitgekriegt, dass während der Fahrt eine Tür aufging: Dann erlischt nämlich im Führerstand ein grünes Licht. Eine Notbremsung wird aber, anders als im Bahnhofsbereich, nicht ausgelöst - eine im Tunnel stehende U-Bahn gilt aus Sicht der Rettungskräfte als die "in allen denkbaren Fällen schlechtere Alternative", berichtet die MVG. Die Betriebsordnung der U-Bahn schreibt daher die Überbrückung der Notbremse bis zur nächsten Haltestelle vor.

Deshalb fuhr der Zug auch weiter, als einer der Zeugen des Unfalls den roten Notfallhebel neben der Tür zog. Nach Auskunft der MVG hat der Fahrer noch im Tunnel versucht, über die Gegensprechanlage Kontakt mit den Fahrgästen aufzunehmen. Vergebens, er habe keine Antwort erhalten. Die Notbremse wirkte dann, wie vorgesehen, im nächsten Bahnhof. Die Polizei sucht weiterhin Zeugen, die im Waggon saßen oder vielleicht an vorherigen Haltestellen Beobachtungen gemacht haben.

© SZ vom 03.04.2012/afis - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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