Thema des Tages:Jetzt aber schnell

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Um die Stickoxid-Belastung in München zu reduzieren, hat das Umweltreferat einen Masterplan mit 127 Projekten vorgelegt. Doch für saubere Luft dürfte das wohl in den nächsten Jahren nicht reichen

Von Andreas Schubert

Mehr Radverkehr, mehr Elektroautos, mehr Carsharing, weniger Abgase: Mit einem 127 Projekte umfassenden Maßnahmenpaket will das städtische Umweltreferat die Luftqualität in München verbessern. In nur einem halben Jahr hat die Stadtverwaltung einen sogenannten Masterplan erarbeitet, den der Stadtrat in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause noch schnell beschließen soll. Denn die Zeit drängt. Am 31. Juli läuft die Frist ab, in der sich die Stadt um Bundesmittel aus dem "Sofortprogramm saubere Luft" bewerben kann. Von den 127 Maßnahmen des Plans sind 80 förderfähig. Allerdings stellt der Bund eine Milliarde für alle Kommunen Deutschlands zur Verfügung, alleine die Stadt will Projekte für 490 Millionen anmelden. Dass sie alle gefördert werden, hält die Verwaltung daher für unrealistisch.

Ohnehin wird die Stadt einen Großteil der Kosten selbst übernehmen müssen. Entscheidend für die Verbesserung der Luftqualität wird nach Ansicht des Umweltreferats der Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs sein. Der soll mit allen Maßnahmen von der Erweiterung der Busflotte bis zum U-Bahn- und Tram-Ausbau 12,1 Milliarden Euro kosten - und fällt garantiert nicht unter die bundesweiten Förderrichtlinien. Im Masterplan der Stadt ist er dennoch enthalten.

Weniger Lärm, weniger Dreck: Das Tempo-50-Gebot auf der Landshuter Allee soll in nördliche Richtung bis zur Triebstraße hin verlängert werden. (Foto: Florian Peljak)

Die Bundesregierung will das Abgasproblem bis zum Jahr 2020 in den Griff bekommen. Diese Zielmarke wird in München nach Ansicht des Umweltreferats allerdings nicht zu schaffen sein. Denn die CSU lehnt auf Landesebene Eingriffe in den Autoverkehr konsequent ab: Ohne Fahrverbote aber die Belastung in München flächendeckend unter die Jahresgrenzwerte für Stickstoffdioxid von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft zu drücken, ist äußerst unwahrscheinlich - außer die große Mehrheit der Bürger macht von heute auf morgen freiwillig mit und verzichtet aufs Autofahren mit Verbrennungsmotoren.

Gleichzeitig geht der Ausbau des MVV nur langsam vonstatten. So ist zum Beispiel mit der neuen U-9-Spange wohl nicht vor 2030 zu rechnen. Das Einzige, was sich wirklich schnell realisieren lässt, ist eine größere Busflotte. Und bevor diese in nicht allzu naher Zukunft komplett elektrifiziert wird, müssen alle Busse auf die Abgasnorm Euro 6 umgerüstet werden.

Der Masterplan, den die Stadt in den vergangenen Monaten referatsübergreifend mit den Verkehrsplanern des Büros Gevas erarbeitet hat, bietet einen Überblick über verschiedene Maßnahmen, die zum Teil schon bekannt oder in Arbeit sind und teilweise schon umgesetzt werden, etwa die Mobilitätsstationen, an denen man Fahrräder ausleihen oder Elektroautos aufladen kann. Die Elektromobilität hat von allen Maßnahmen in der Sitzungsvorlage die höchste Wirkung, um die Stickoxidbelastung schnell zu senken. Deshalb soll die Ladeinfrastruktur ausgebaut werden, um Anreize für den Umstieg auf E-Fahrzeuge zu setzen. Bis 2019 sollen es bereits 550 Ladestationen sein. Zudem sollen auch die private Zweiräder und die Ladeinfrastruktur weiter gefördert werden sowie E-Taxis. Ebenso sollen die städtischen Fuhrparks elektrifiziert sowie weitere E- Busse (bislang sind acht vorgesehen) für die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) angeschafft werden.

Weiter steht auch Carsharing mit neuen Mobilitätsstationen, an denen elektrische Carsharing-Autos sowie MVG-Räder zu finden sind, auf der Liste. Um hier wirklich einen spürbaren Effekt zu erzielen, müssten allerdings die Carsharing-Anbieter BMW und Mercedes größere Flotten anbieten und ihre Geschäftsgebiete ausweiten. Die Stadt will nun Gespräche mit den Anbietern führen. Ebenso finden sich auf der Prioritätenliste die Werbung für die alternativen Angebote zum Auto mit Verbrennungsmotor, eine intelligente Steuerung der Verkehrsströme, ein Baustellenmanagement, das Staus verhindern soll, ein Parkraummanagement, die Förderung des Radverkehrs inklusive Ausbau des Radwegenetzes und der Radstellplätze sowie die Digitalisierung der Nahverkehrsangebote und eine Stadtlogistik, die zum Beispiel den abgasfreien Lieferverkehr vorwärts bringen soll.

Allerdings muss jede einzelne Maßnahme vom Stadtrat einzeln beschlossen werden. Und das könnte dauern. Der Masterplan ist dabei kein rechtlich bindendes Planwerk wie der Luftreinhalteplan des Freistaats. Dennoch könnte er einiges Bewirken, ein Umdenken der Bevölkerung vorausgesetzt. So sind derzeit nur knapp 2700 Elektroautos in München angemeldet, mit Verbrenner fahren mehr als 700 000 durch die Gegend. Der Effekt: An 24 Prozent der Hauptstraßen-Netzes in München, also an 123 Kilometern, werden laut Berechnungen des Landesamtes für Umwelt die Stickoxid-Grenzwerte dauerhaft überschritten.

Im Masterplan der Stadt sind verschiedene Szenarien aufgeführt, wie sich die Luftqualität ändern könnte. Wenn gar nichts passiert, so vermuten die Planer, geht die durchschnittliche Belastung in den kommenden zwei Jahren zwar zurück, aber nur, weil die Autos immer sauberer werden. Angeblich sind dann noch 52 Kilometer Straße problematisch.

Würden dagegen die Münchner ihr Mobilitätsverhalten grundlegend ändern und statt mit dem eigenen Pkw nur noch mit Rad, Bus und Carsharing-Autos fahren, würden nur noch an 19 Kilometern des Hauptstraßennetzes die Grenzwerte überschritten. Noch besser sähe es aus, wenn man das geänderte Mobilitätsverhalten und den Ausbau der E-Mobilität zusammen betrachtet. Dann wären nur noch zwei Kilometer Straße dauerhaft verpestet. Diese Szenarien sind sehr theoretisch. Wie problematische Stellen wie der Stachus oder die Landshuter Allee von den Maßnahmen profitieren würden, lässt sich konkret nicht sagen.

© SZ vom 21.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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