Technik:Prinzip Überdruck

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Jeder Handgriff sitzt, die Mitarbeiter der Firma Paranet haben inzwischen Übung beim Hallenaufbau wie hier in Taufkirchen. (Foto: Claus Schunk)

Wegen der schnellen Installation favorisieren viele Kommunen das Provisorium

Von Günther Knoll, München

Das Prinzip ist denkbar einfach: Man nehme eine raumumschließende elastische Hülle und verankere sie fest im Boden. Dann verstärke man diese Hülle mit einer Draht- oder Kunststoffkonstruktion, dichte sie am Boden gut ab und schaffe mittels Gebläse einen geringen Überdruck, der für den Menschen kaum wahrnehmbar ist. Schon hat man ein wasserdichtes, relativ wetterfestes Gehäuse. Ob man dieses nun Halle nennt oder sogar "Dome" wie in Tokio, wo man so ein überdachtes Baseball-Stadion für gut 50 000 Zuschauer geschaffen hat, das bleibt dem jeweiligen Nutzer überlassen.

Es geht um Traglufthallen, und früher stellte man diese tatsächlich vornehmlich für sportliche Zwecke auf. So war Tennis auch im Winter möglich und so konnte man auch den Swimmingpool im Garten in ein komfortables Hallenbad verwandeln. Inzwischen aber sieht man vielerorts in dieser Art fliegender Bauten eine relativ einfach zu realisierende Möglichkeit, die Flüchtlinge unterzubringen, die nach Deutschland kommen. Die Hallen sind deutlich schneller und einfacher zu errichten als feste Gebäude oder auch Leichtbauhallen. Schließlich braucht man im Grunde dazu nur eine freie und ebene Fläche. Dazu kommt, dass das Baurecht beschleunigte Genehmigungsverfahren ermöglicht, auch das Aufstellen solcher Hallen im Außenbereich, wo sonst nur privilegierte Bauvorhaben erlaubt sind, ist für die Genehmigungsbehörden kein Problem, weil sie als Provisorien gelten.

So stehen die Gebilde, die für die einen aussehen wie überdimensionale Iglus, für die anderen wie kleinere Nachbauten der Münchner Allianz-Arena, inzwischen in vielen Kommunen rund um München und in etlichen anderen ist die Aufstellung schon beschlossene Sache. Eigentlich sind sie als Übergangslösung gedacht, der Landkreis München zum Beispiel hat seine Hallen nur für je ein Jahr angemietet. Die Baugenehmigung für Errichtung und Betrieb ist auf sechs Monate befristet und kann dann noch einmal um sechs Monate verlängert werden.

Doch ob bis dahin das Unterbringungsproblem für die vielen Menschen, die nach Deutschland kommen, gelöst ist, das ist fraglich. Von ihrer Technik her halten die Traglufthallen auch einen längeren Zeitraum. So lassen sich durch erhöhten Druck im Innern auch stärkere Winde aushalten, den gleich Zweck erfüllt auch ein spezielles Drahtgeflecht, das die Kunststoffhüllen umschließt. Eventueller Schnee auf der Hülle soll durch erhöhte Raumtemperatur abtauen. Das Kernstück einer solchen Halle bildet das Stützgebläse mit Zugluft und Abluftschacht. Wichtig ist es in jedem Fall, starken Druckabfall zu vermeiden, da sonst die Hülle in sich zusammenfällt. Dafür sind auch Notaggregate installiert, die im Bedarfsfall sofort anspringen. Die Eingänge sind mit Schleusen versehen, dürfen aber trotzdem nicht gleichzeitig geöffnet werden, da dadurch Luft ausströmt und der Druck absinkt. Die Sanitäreinrichtung wird einfach mit Hilfe eigener Container in der Halle installiert. Das Heizgebläse ist annähernd geräuschlos, die Hülle lässt einen hohen Tageslichteinfall zu. "Es herrscht eine angenehme Atmosphäre in der Traglufthalle", schreibt der führende Hersteller. Ob er schon mit 250 anderen Menschen monatelang darin gelebt habt?

© SZ vom 09.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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