Tausende Bäume sollen gefällt werden:Kleinod in Gefahr

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Das mögliche Abbaugebiet liegt in einem Landschaftsschutzgebiet - allerdings auch in einem Vorranggebiet. Deshalb könnte es passieren, dass im Forst Kasten schon bald Tausende Bäume gefällt werden, ein positives Votum für die Pläne im Sozialausschuss am 20. Mai vorausgesetzt. (Foto: Catherina Hess)

Sind Grüne und SPD gezwungen, den Kiesabbau-Plänen einer Neurieder Firma im Forst Kasten zuzustimmen? Die beiden Parteien sehen das so - Anwälte des Bundes Naturschutz kommt zu einem anderen Ergebnis

Von Thomas Anlauf

Der Kampf um den Wald ist noch nicht entschieden. Zwar haben die Grünen im Stadtrat am Dienstag signalisiert, dass sie unter Protest dem Kiesabbau in Forst Kasten zustimmen werden. Und auch die SPD-Fraktion hat sich offenbar schon festgelegt, dass sie der Abholzung von fast zehn Hektar Wald nicht im Wege stehen will. Doch an der aktuellen Haltung der Stadtratsmehrheit wächst die Kritik. Der Bund Naturschutz in München will womöglich gegen eine Abholzung klagen. Auch die ÖDP kritisierte am Donnerstag, dass die grün-rote Koalition sich schon intern in einem Treffen zwischen den Fraktionen und dem zuständigen Sozialreferat darauf geeinigt hat, dem Kiesabbau im Bannwald zuzustimmen.

Vor einer Woche berieten sich nach SZ-Informationen Vertreter von Grünen, SPD und Sozialreferat, ob der Stopp einer Rodung des Waldes juristisch noch möglich wäre. Sowohl das Sozialreferat als zuständiges Referat für die Belange der Heiliggeistspital-Stiftung, dem der Forst Kasten gehört, als auch die Regierung von Oberbayern als Stiftungs- und Rechtsaufsicht sind zum wiederholten Male zu dem Schluss gekommen, dass der Stadtrat dem Vertrag mit der Stiftung und einem Neurieder Kiesabbauunternehmen zustimmen müsste. Dem juristischen Urteil scheinen sich Grün-Rot nun vor der Abstimmung am 20. Mai zu beugen. Doch der Bund Naturschutz hat nun Stellungnahmen von Anwälten eingeholt, die zu einem anderen Ergebnis als Stadt und Regierung kommen.

So sei es "nicht vertretbar", zum derzeitigen Zeitpunkt der Neurieder Firma "Gebrüder Huber Bodenrecycling GmbH" den Zuschlag für einen Vertrag zum Kiesabbau zu erteilen, heißt es in einer gutachterlichen Beurteilung der Münchner Fachanwälte für Verwaltungsrecht Schönefelder Ziegler Lehners. Denn die Gräfelfinger Firma "Bernhard Glück Kies- Sand- Hartsteinsplitt GmbH" befinde sich noch in einem Berufungsverfahren mit der Heiliggeistspital-Stiftung, da das Unternehmen auf einen Pachtvertrag im Forst Kasten poche. Das Argument der Anwälte: Sollte Glück vor Gericht doch noch gewinnen und die Stadt der Neurieder Firma Huber bereits den Zuschlag erteilt haben, könnte Glück einen Schadenersatzanspruch verlangen, der "womöglich in die Millionen gehen" würde. Zudem liege das geplante Kiesabbaugebiet in einem Landschaftsschutzgebiet und im Umgriff einer Bannwaldverordnung. Das bedeutet nach Ansicht der Anwälte, dass ein Schadensersatzanspruch deshalb ausscheide, weil es dort ein grundsätzliches Verbot gebe, Maßnahmen zu ergreifen, die das Landschaftsbild verunstalten oder den Bannwald zerstören könnten.

Das Problem ist allerdings, dass das Waldstück auch in einem Vorranggebiet liegt. Das bedeutet, dass dort trotz seines ökologischen Schutzstatus' auch in bestimmten Fällen Kiesabbau möglich wäre. Denn unter dem 800 Hektar großen Stiftungswald liegen metertiefe Kiesschichten, die Unternehmen wie Glück und Huber gerne ausbeuten würden. Zudem muss die Stadt die Stiftung darin unterstützen, mit dem Wald wirtschaften zu können. Doch auch da greifen die Anwälte wieder an, und auch Christian Hierneis als Vorsitzender des Bundes Naturschutz in München argumentiert: Das Vermögen der Stiftung müsste für die Forstwirtschaft erzielt werden. Probebohrungen im Untergrund, ob dort überhaupt genügend Kies liegt, seien "riskant", so Hierneis: "Was wäre gewesen, wenn die Probebohrungen keinen Erfolg gezeitigt hätten?" Wäre die Stiftung dann auf den Kosten sitzen geblieben und wäre dadurch ihr Vermögen geschmälert?

Die SPD-Fraktionsvorsitzende Anne Hübner befürchtet, dass es für eine Zustimmung zum Vertragsabschluss keine Alternative gebe. Sie räumt ein, dass es bereits 2014 und 2017 Beschlüsse des Sozialausschusses gegeben habe, die wohl bindend seien. "Es sind trotzdem Jahre verstrichen, in denen wir hätten handeln können", sagt Hübner. Sie hofft nun auf Gesetzesänderungen, damit der Stadtrat künftig nicht nur abnickt, sondern auch im Sinne des Klimaschutzes entscheiden kann.

© SZ vom 14.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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