Tanztheater:Ist heute wirklich morgen?

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Hübsch bunt, abwechslungsreich, aber allzu harmlos: "Generation Goldfish" von Charlotte Edmonds (Foto: Katja Lotter)

Das Bayerische Staatsballett präsentiert junge Choreografen im Prinze

Von Eva-Elisabeth Fischer, München

- Heute ist morgen? Das Fragezeichen steht natürlich nicht im Titel des jüngsten dreiteiligen Ballettabends im Prinzregententheater, muss aber mitgedacht werden: Das Bayerische Staatsballett stellt Kreationen junger Choreografen vor. Denn der Türke Özkan Ayik, die Engländerin Charlotte Edmonds und der Russe Emil Faski, allesamt erst einmal Tänzer, sind einstweilen nur Versprechen, welche sich auf lange Sicht einlösen müssen.

Edmonds tritt an mit dem intellektuell anspruchsvollsten Projekt. Ihrer "Generation Goldfish" nämlich liegt das Forschungsergebnis eines Neurowissenschaftlers zugrunde, wonach die Aufmerksamkeitsspanne von Goldfischen besonders kurz sei. Ähnlich beschränkt scheint die der tanzenden drei Männer und drei Frauen von Edmonds "Generation Goldfish" zu sein. Was sie tun sollen, diktiert ihnen immer mal wieder eine Männerstimme aus dem Off. Und so bewegen sie sich in ihren bunten Chiffonkostümen wie die Fische in einem Goldfischglas, das allerdings möbliert ist wie eine bürgerliche Wohnung. Also ergießen sich ihre Körper über Stühle, schlängeln sich in einer Badewanne oder wogen hinter einer Zimmerpflanze, umspült von Katya Richardsons blubberndem Digital-Aquariumsound. Das ist hübsch anzuschauen, toll getanzt wie alles, beweist aber hauptsächlich, dass man Theorie nicht tanzen kann.

Emil Faski, Tänzer am Gärtnerplatztheater und dort selbst der großartige große Zampano in Marco Goeckes "La Strada"-Ballett, hat, was ein enormer Vorteil ist, im "Othello" eine tanzbare dramatische Vorlage. Dabei aber auch José Limóns epochale "The Moor's Pavane" im Nacken, die durch nichts zu übertreffen ist. Denn wie dieser reduziert Faski die tödliche Intrige auf das Quartett Othello, Desdemona, Jago, Emilia. Er schreibt das Eifersuchtsdrama klein, inszeniert dafür aber den Macho-Konflikt als auch emotional stark bewegenden Akt. Omnipräsent natürlich das Taschentuch, das erst einmal ebenso achtlos wie zufällig irgendwie herumhängt. Wie Limón also choreografiert er ums Taschentuch herum die gockelhaften Männerkämpfe, führt eine eher kindliche Desdemona und eine stets alerte Emilia vor. Den Machismo unterlegt er mit rau-kantigen Schostakowitsch-Streichkonzerten sowie dem Andante Attaca (!) aus dem Klavierkonzert Nr. 2 F-Dur. Othellos inneren Kampf um und mit Desdemona untermalt ein schwülstiges Henryk Mikołaj Górecki-Streichquartett, welches Faski zur ganz großen, pathetischen Geste verleitet. Heute kann auch ganz schön gestern sein.

Aber eben auch fraglos unbedingt auf Morgen verweisend wie bei Öskan Ayik. Fasziniert ist der vom Wagemut in Marco Goeckes Arbeiten, den er noch aus Stuttgart kennt. Goecke übrigens wird kommende Saison auch ein Stück fürs Staatsballett kreieren. Für seinen abstrakten, nur 15 Minuten kurzen, ganz in Schwarz gehaltenen "Tag zwei" riskiert Ayik, gegen das rhythmische Pulsieren von Loscils elektronischer Musik zu choreografieren in sehr freien und dennoch stringenten Bewegungsvariationen. Sechs Tänzerinnen und Tänzer kommen und verschwinden, treffen in stets unerwarteten Formationen zusammen und verlieren einander ebenso unerwartet: Da war doch gerade noch ... Dabei gelingt es Ayik, dem Bühnengeschehen eine enigmatische, nicht greifbare Ebene einzuziehen. Faszinierend. Und schön.

"Heute ist morgen" wieder am 27. und 28.6., 19.30 Uhr, Prinzregententheater

© SZ vom 26.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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