Talentiade 2019:In bester Lage

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Gewachsene Einheit: Die U16 des TSV spielt schon seit der Grundschulzeit zusammen. (Foto: Stephan Rumpf)

Adresse verpflichtet: Zwei Jahre nach der deutschen U-14-Meisterschaft holen die Volleyballerinnen des TSV Turnerbund auch den Titel in der U16 - ihr Nachbar an der Säbener Straße ist der FC Bayern.

Von Julian Raff

Mit dem Gewinn der deutschen Meisterschaft haben die U-16-Volleyballerinnen des TSV Turnerbund München in der Szene mächtig Aufmerksamkeit erregt. Eine totale Sensation wie Schneefall im Juli war der Titel nun aber auch nicht. Anders vor zwei Jahren, als die Mädchen die Meisterschaft der unter 14-Jährigen gewannen. Im vergangenen Jahr zog die Mannschaft bereits ins Endspiel der U16 ein - und wurde Zweite. Nun also folgte, fast schon logisch, der Titel. Diese nachhaltige Aufbauarbeit im Verein überzeugte die Talentiade-Jury.

Volleyball gespielt wird bei dem Traditions- und Breitensportklub, der vor 137 Jahren als Arbeiter-Sportverein in der Au gegründet wurde, später an der Pilgersheimer Straße ansässig war und seit 53 Jahren an der Säbener Straße - gleich neben dem FC Bayern - zu Hause ist, seit fast drei Jahrzehnten. Die prominente Nachbarschaft mag inspirierend wirken. Ausschlaggebend für den anhaltenden Erfolg des Turnerbunds war aber wohl ein anderer Standortfaktor: Gleich oberhalb des Sportgeländes, an der Rotbuchenstraße, liegt Bayerns größte Grundschule, wo Trainerin Birgit Gußmann im Jahr 2011 viele Schülerinnen der Jahrgänge 2004 und 2005 und deren Familien für ihr Mannschaftsprojekt begeistern konnte.

In den Sechs- und Siebenjährigen sprach Gußmann den Nachwuchs so früh wie möglich an, wobei hochklassiger Volleyball auch noch ein Einstiegsalter um die zehn Jahre zulässt. Der Frühstart zahlte sich jedenfalls aus, begünstigt durch einen weiteren Heimvorteil: Die meisten Spielerinnen konnten auf das direkt an der Rotbuchen-Grundschule gelegene Theodolinden-Gymnasium (TLG) wechseln. Die Mannschaft ließ sich so leichter zusammenhalten.

"Hier wird nicht auf Verschleiß gespielt", versichert Trainerin Andrea Steinbacher

An der Partnerschule für den Fußball-Nachwuchs findet das TLG ein offenes Ohr für den Leistungssport. Ein optimales Umfeld konnte es trotzdem erst vom Sommer 2015 an bieten, als die neue Dreifach-Sporthalle eröffnete. Davor trainierten die Volleyballerinnen zwei Jahre lang in elf verschiedenen Hallen, was auch bei ausgeklügelter Logistik zu Reibungsverlusten führt. Das Durchhalten hat sich gelohnt: Die neue Halle bietet mit drei Trainingsfeldern, moderner Licht- und Belüftungstechnik und einem gut ausgestatteten Kraftraum eine hoch gelobte Trainingsbasis. Inzwischen hat der Bayerische Volleyballverband hier einen Leistungsstützpunkt eingerichtet (weitere finden sich in Lohhof, Straubing und Sonthofen). Aufsehen im Viertel erregte der 13-Millionen-Euro-Bau aber weniger durch die hier ausgebrüteten sportlichen Leistungen als durch Klagen aus der Nachbarschaft (nicht vom FC Bayern), die um ihre Ruhe fürchtete und Einschränkungen durchsetzte. Es gilt ein Trainingsschluss um 21.30 Uhr und ein enger Zeitkorridor für Sonntagsspiele, weshalb der Turnerbund seine Heimspiele in der Regionalliga gleich komplett auf die Samstage legte - alles noch zumutbar, findet Stützpunktleiter Gerhard Eberl.

Die vielversprechendsten Talente spielen ohnehin längst zweigleisig, mindestens: Die Hälfte des neuen Landeskaders, der als VC Olympia antritt, stellt der Turnerbund, auch wenn die Elitemannschaft im Zuge einer überregionalen Kooperation ihre Basis in Regensburg aufgeschlagen hat, Celine Jebens hat es sogar schon zur Nationalspielerin gebracht. Die Auswahl soll künftig in der 3. Liga antreten. Die Spiellizenz konnte sich der Turnerbund sichern, nachdem der TSV Eiselfing seine Mannschaft zurückgezogen hatte. Pech für Eiselfing, für den Turnerbund aber einer von vielen "Glücksfällen", sagt Eberl.

In diese Kategorie fällt für den Stützpunktleiter auch die Verpflichtung von Trainerin Andrea Steinbacher (Birgit Gußmann hatte sich nach dem U-14-Titel in den Ruhestand verabschiedet). Die 25-Jährige managt unter anderem auch die Jugend-Nationalmannschaft und arbeitet eng mit Sportwissenschaftlern und einer fest engagierten Physiotherapeutin zusammen. "Hier wird nicht auf Verschleiß gespielt", versichert Steinbacher. Wenn, wie beim Finale in Friedrichshafen, die Spielführerin mit verletztem Knöchel antritt, bleibt dies die wohl abgewogene Ausnahme. Richtig dosiertes Krafttraining hält das Verletzungsrisiko so gering wie möglich.

Eine gewisse Robustheit müssen die Spielerinnen aber schon mitbringen, und die Zähigkeit für zweieinhalbstündige Matches oder Turniertage mit bis zu vier Partien - alles gepaart mit dem Sinn für taktische Finessen und clevere Täuschungsmanöver. Wenn Steinbacher Volleyball also als Sport anpreist, der jungen Aktiven "so viel bietet und so wenig kostet", meint sie: Der Ertrag überwiegt die Opfer.

Zum zehnten Mal hat die Süddeutsche Zeitung in den vergangenen Wochen herausragende Talente gesucht und Sportvereine, die sich besonders um die Nachwuchsarbeit verdient gemacht haben.

© SZ vom 03.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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