Szene München:Vordrängler nerven - besonders am Tresen

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Ein Sommerabend, ein Freiluft-Event, die Schlange vor dem Bierverkauf ist lang. (Foto: Marco Einfeldt)

Das Nachtleben ist ein Tanz der Eitelkeiten. Also muss man damit rechnen, dass sich die Menschen in Szene setzen. Manche Dinge gehen allerdings absolut nicht.

Von Philipp Crone

Manchmal erkennt man einen Idioten auf den ersten Blick - nach Berücksichtigung aller mildernden Umstände, die man beim abendlichen Ausgehen einrechnen muss. Ja, wer weggeht, der möchte sich in Szene setzen, mal so ganz grundsätzlich. Die Münchner Gastronomin Sandra Forster hat das so formuliert: "Das Nachtleben ist ein Tanz der Eitelkeiten."

Und für den Münchner Regisseur Simon Verhoeven sind Bars, Clubs und Veranstaltungen aller Art im Grunde ohnehin nichts weiter als "Partnerbörsen". Da nun aber die Männchen in der Gattung Primaten kein auffallendes Federkleid oder ein beeindruckendes Geweih präsentieren können, um auf sich aufmerksam zu machen, müssen sie eine Show abliefern.

Dreistigkeit siegt

Ein Sommerabend, ein Freiluft-Event, die Schlange vor dem Zelt mit dem Bierverkauf ist 20 Meter lang. 50 Primatinnen und Primaten warten darauf, eine leere Bierflasche gegen eine volle einzutauschen, als ein Mann, Jeans und weißes Hemd, sich aus einer Gruppe mit drei Frauen löst, vorne neben den ersten Wartenden zwei Flaschen auf den Tresen stellt und mit einer Hand anzeigt: zwei neue bitte. Dreistigkeit siegt, auch in diesem Fall. Denn wer will schon derjenige sein, der dem Weißhemd auf die Schulter klopft und ihn auf die Schlange aufmerksam macht. Ist ja eher spießig. Oder?

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Kurzes Zögern, dann doch lieber spießig sein als tatenlos sauer, denkt sich einer der Wartenden. Antippen. Ey, Schlange gesehen? Der Typ stellt sich taub und bringt die Flaschen zügig zu seinen Begleitungen, die ihn prompt beeindruckt anlächeln. So ein mutiger Kerl!, denken die jetzt wahrscheinlich. Der traut sich was! Glückwunsch, ist bestimmt ein Volltreffer an der Partnerbörse. Einige andere Wartende denken hingegen eher wie der Antipper. Man schüttelt den Kopf, schimpft, kommt ins Gespräch. Auf einmal trinken fünf wildfremde Münchner gemeinsam ein Bier und lernen sich kennen. Da muss man dem Vordrängler fast schon wieder dankbar sein.

© SZ vom 27.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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