Was fehlt in dieser Stadt, um Viertel vor drei, nach dem dritten Bier? Ein Ort zum Weitertrinken. Berliner mögen das Problem nicht kennen, aber die allermeisten Bars in München machen bald nach Mitternacht zu, Lichter aus, kein Tropfen fließt mehr. Die Band Wanda, obwohl aus Wien, singt über die Erfahrung des traurigen Kneipengängers: "Wenn du weißt, wo man um diese Zeit noch saufen kann - da gehen wir hin."
Man irrt also herum, nicht einmal in der Bar Gabányi brennt heute Licht. Irgendwann die Erlösung: die Boazn. Klein, griabig, leicht verranzt, für München lebensnotwendig. Tagsüber hängen hier ein paar Alkoholiker am Tresen oder am Spielautomaten. Nachts schlagen alle auf, für die es noch zu früh zum Heimgehen ist.
Halligalli, Jagerhansl, Du&I, Rendezvous oder wie sie alle heißen. Das Licht schummert bläulich oder rot, über der Bar Lichterketten, Bayernwimpel und Discokugeln, das Bier kostet nur drei Euro, und statt Wanda läuft hier Rosenstolz. Draußen weist die Polizei den Radler ohne Licht zurecht, drinnen wird geraucht, jedem Verbot zum Trotz. Zwei Müllmänner trinken ein schnelles Helles vor ihrer Schicht, auf der Theke liegen Servietten mit der Aufschrift "Now we have the salad". Alles ist gut. In der Boazn darf München noch ein bisschen hässlich sein, und so lange man dort um diese Zeit noch saufen kann, wird das hoffentlich auch so bleiben.
Was fehlt in dieser Stadt, nach dem vierten Bier? Eine Ode an die Boazn. Einen Dichter müsste man mal mitnehmen zur Zechtour. Schiller oder Klopstock. Wer weiß, was dann herauskäme?
Wenn es spät wird,/ wenn die Lichter der Kneipen verlöschen/ und kein Drink mehr gemixt wird,/ dann bist du,/ oh Boazn,/ die Rettung derer, die dürsten. Dann eil' ich zu dir! Säume nicht, bis mich erst/ ein Seraph bei der Rechten fasse,/ und mich, Unsterbliche, zu dir führe./ Rinn unterdess, o Leben. Sie kommt gewiss./ Die Stunde, die uns nach der Zypresse ruft!