SZenario:Jeder eine Marke

Lesezeit: 1 min

Eitel Sonnenschein: Der stets schön frisierte Riccardo Simonetti bei der Verleihung der „Best Brand Awards“ in München. (Foto: Florian Peljek)

Zwischen Glitzerblazer und Hornbrille beim Best-Brands-Award

Von Julia Huber, München

Riccardo Simonetti muss draußen bleiben. Der Modeblogger mit den wallenden Locken und dem Glitzerblazer hat zu lange im Foyer des Bayerischen Hof gestanden, Interviews gegeben, für Fotos posiert. So lange, bis drinnen kein Stuhl mehr frei war. Es ist die Gala zur Verleihung der "Best Brands, der besten Marke. "Ich bin meine eigene Marke", sagt er und deutet auf seinen Namen, der an einer Goldkette um seinen Hals baumelt. Ein Mann vom Fach. Warum ihm wohl niemand einen Stuhl freigehalten hat? Simonetti gehört zu den erfolgreichsten Influencern in Deutschland. Dem 25-Jährigen schauen täglich im Internet Tausende Menschen auf Snapchat und Instagram zu.

Die meisten der etwa 600 geladenen Gäste der Best-Brands-Gala gehören wohl nicht zu Simonettis Zielgruppe. Da sitzen Firmenbosse, Kommunikationschefs und solche, die es mal werden wollen. Ein Meer aus schwarzen Anzügen und dunklen Hornbrillen. "Schön, vor so vielen Macherinnen und Machern zu sprechen", ruft Moderator Klaas Heufer-Umlauf in den vollen Saal. Die Werbe-Elite ist gekommen, um sich selbst zu feiern. Die Best-Brands-Awards gehen an die Konzerne Ikea, Nivea, Nike und die Chipsmarke Lay's. Es gibt Hochglanz-Werbeclips und vorformulierte Reden. Alt-Kanzler Gerhard Schröder wirbt für die Große Koalition und die EU, beides keine besonders gefragten Marken. Schwere Kost, die Stimmung ist verhalten.

In der Lounge vor dem großen Festsaal tut Riccardo Simonetti derweil das, worüber drinnen gesprochen wird: Wie es sich für einen Influencer gehört, arbeitet er an seiner Marke. "Hier sind die Girls!", ruft er in einem Video-Clip und filmt fünf befreundete Modebloggerinnen. In Sechser-Formation posieren sie vor einer stuckverzierten Wand. In einem Video stolziert Simonetti an verdutzten Anzugträgern vorbei, als wäre er auf einem Laufsteg. Alles landet sofort auf Instagram und Snapchat. Bis zu 300 Video-Clips veröffentlicht der Blogger täglich, eigentlich filmt er sich den ganzen Tag. Selbst als er eine Stufe runter stolpert und eine der Bloggerinnen aus Versehen pupst, postet er das sofort. "Ich produziere jeden Tag meine eigene Reality-Show", sagt er. Mehr als 120 000 Instagram-Follower hat Simonetti. Es ist kein Hochglanz und trotzdem wirkt es.

© SZ vom 23.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: