Szenario:Doppelte Brückenpfeiler

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Beim Friedenspreis des Deutschen Films werden die Gewinner von 2020 und 2021 ausgezeichnet - Senta Berger bekommt diesmal den Ehrenpreis

Von JOSEF GRÜBL, München

Es ist die erste größere Kultur-Präsenzveranstaltung seit einer gefühlten Ewigkeit, da kann man schon einmal durcheinanderkommen: So hat das Cuvilliés-Theater am Dienstagabend zwar wieder geöffnet, gespielt wird aber trotzdem nichts. Zumindest kein Theaterstück. Dafür gibt es einen Friedenspreis, der aber auch nicht an eine afrikanische Filmemacherin geht - wie man nach aktuellen Meldungen vielleicht glauben könnte. Die Dame aus Simbabwe erhält aber den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, während in München der Friedenspreis des Deutschen Films vergeben wird. Preisverleihungsgäste wie Christian Ude, Bettina Reitz oder Friedrich von Thun können das natürlich auseinanderhalten, sie wissen auch: Die Münchner Variante hieß früher einmal Bernhard-Wicki-Filmpreis, wurde aber irgendwann umbenannt.

Um den im Jahr 2000 verstorbenen Schauspieler und Regisseur dreht sich hier trotzdem vieles, dafür sorgt auch seine Witwe: Elisabeth Wicki-Endriss kämpft seit zwei Jahrzehnten mit viel Einsatz und noch mehr Vehemenz um diese Veranstaltung, bei der Filme mit gesellschaftspolitischer und humanistischer Dimension ausgezeichnet werden sollen. So ließ sich der damalige Ministerpräsident Horst Seehofer bei einer Verleihung zu der Aussage hinreißen, dass man bei einem Besuch von Frau Wicki-Endriss gut beraten sei, alle ihre Forderungen zu erfüllen - und zwar aus reinem Selbstschutz: "Damit der Termin schnell wieder zu Ende geht."

"Das hat vermutlich etwas mit der Acht zu tun“, sagt, ganz bescheiden, die achtzigjährige Senta Berger, die den Ehrenpreis für ihr Lebenswerk erhielt. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Schnell zu Ende geht es aber auch im Jahr 2021 nicht, schließlich müssen noch die Trophäen vom letzten Jahr unters Volk gebracht werden. So dauert die Verleihung im dank der Corona-Regeln übersichtlich belegten Theatersaal knapp drei Stunden, es gibt ellenlange Grußworte und Lobreden, nur die Preisträger halten sich kurz. Aber vielleicht muss man sich an all das erst wieder gewöhnen, vielleicht haben die Menschen nach den Monaten des Lockdowns auch nur ein gesteigertes Mitteilungsbedürfnis. Während der Österreicher Karl Markovics eine mit feinen Spitzen garnierte Laudatio auf den per Videotelefonat zugeschalteten Regisseur Jonathan Jakubowicz hält, erzählt der in Beirut geborene Kameramann und HFF-Absolvent Christopher Aoun von seinen Schwierigkeiten, in Deutschland anzukommen, und beklagt den "strukturellen Rassismus beim Münchner KVR", dem Kreisverwaltungsreferat. Insgesamt sechs Brückenpfeiler-Trophäen wechseln die Besitzer, den meisten Applaus bekommt am Ende des Abends die Ehrenpreisträgerin Senta Berger. Es ist nicht die einzige Auszeichnung, die die Schauspielerin dieser Tage erhält: Nächste Woche wird ihr beim Filmfest der Cinemerit Award verliehen, ebenfalls für ihr Lebenswerk. "Das hat vermutlich etwas mit der Acht zu tun", sagt sie vor Veranstaltungsbeginn und spielt auf ihren achtzigsten Geburtstag an, den sie im Mai feierte. "Ich bin wahrscheinlich eine der wenigen, die Bernhard Wicki noch persönlich gekannt haben."

Und so widmet sie ihre Dankesrede auch dem einstigen Namensgeber des heutigen Friedenspreises, erzählt von seinen Siegen und Niederlagen - und erinnert an seinen bekanntesten Film "Die Brücke". Damit schafft sie es sehr elegant, ihr eigenes Licht unter den Scheffel zu stellen - die großen Reden, die Appelle und das Pathos überlässt sie den anderen. Als sie aber auf ihre Familie zu sprechen kommt, wird Senta Berger stolz: "Für mich schließt sich hier ein Kreis", sagt sie und verweist auf die Brückenpfeiler, die ihr Mann Michael Verhoeven und ihr Sohn Simon Verhoeven bereits vor Jahren gewonnen haben. Natürlich ist die Filmfamilie Berger-Verhoeven an diesem Abend anwesend, an ihr kommt man in München auch im Jahr 2021 kaum vorbei.

Regisseur Philipp Stölzl (rechts neben seinem Vater Christoph) bekam den Friedenspreis 2021 für seinen Film "Schachnovelle“. (Foto: Robert Haas)

Der "Friedenspreis des Deutschen Films - Die Brücke" ging an Ladj Ly für "Les Misérables" und Jonathan Jakubowicz für "Resistance" (Preisträger des Jahres 2020) sowie an Kaouther Ben Hania für "The Man Who Sold His Skin", Jan Philipp Weyl für "Running Against The Wind" und Philipp Stölzl für "Schachnovelle" (Preisträger des Jahres 2021). Den Ehrenpreis erhielt Senta Berger.

© SZ vom 24.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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