SZenario:Der gehypte Berg

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Bergmenschen: Stefan Glowacz, Michael Ruhland, Autogrammjäger und Rufus Beck (von links) (Foto: Stephan Rumpf)

Der Mount Everest ist zu einer Massenattraktion geworden, gegen Bezahlung kommt fast jeder Sportler nach oben. Wie gehen echte Bergsteiger damit um?

Von Thomas Anlauf, München

Da sitzen sie ruhig und geduldig, bis sie an der Reihe sind. Menschen, die oft ungeduldig ihrer nächsten Herausforderung entgegenfiebern, die auch tödlich enden kann. Sie sind irgendwie Philosophen, für manche gar schon Heilige, einer wird in der Szene sogar "Papst" genannt. Sechs Männer - ja, leider nur Männer - sitzen nun auf dem Podium im Alpinen Museum und sollen davon erzählen, was sie zu "Bergmenschen" gemacht hat, wie Bergsteiger-Chefredakteur Michael Ruhland und Fotograf Christoph Jorda ihren soeben erschienenen Porträtband genannt haben.

Da ist etwa Bernd Kullmann, der 1978 in Jeans als damals jüngster Europäer den Mount Everest bestieg. Neben ihm sitzt Eugen Hüsler, 75, von Bergsteigern noch heute ehrfürchtig als "Klettersteig-Papst" bezeichnet, der in seinem langen Bergsteigerleben mehr als 150 Bücher über Gipfel, Steige und Pfade geschrieben hat. Und es sind Extremsportler wie Luis Stitzinger, Martin Maier und Stefan Glowacz gekommen, die das ganze Dilemma des Bergsports zwischen Faszination und Vermarktung, Ehrfurcht und Ehrgeiz verkörpern.

Bernd Kullmann, der Jeans tragende Everest-Bezwinger, bedauert, dass "die Würde eines so exponierter Berges wie der Mount Everest mit Füßen getreten wird". Als er 1978 mit einer deutsch-französischen Expedition zum Dach der Welt aufbrach, hatten bis dahin erst ein paar Dutzend Bergsteiger den Gipfel bestiegen. Heute "stehen dort 150 Leute im Stau, das macht doch keinen Spaß mehr". Spaß macht die Besteigung des Mount Everest wohl kaum einem Sportler, auch wenn sich manche Menschen den Aufstieg ein Vermögen kosten lassen. Zwischen 20 000 und knapp 100 000 Euro müssen Everest-Besteiger zahlen, um mehr oder weniger komfortabel in die Todeszone zu gelangen. Einer, der von dem Everest-Hype profitiert, ist Luis Stitzinger. Der Extrembergsteiger und Bergführer hat erst in diesem Jahr gegen Bezahlung acht Menschen zum Everest-Gipfel geführt. Stitzinger räumt ein, dass es "ein elitärer Sport geworden ist am Everest".

Als Philosoph unter den Bergbegeisterten outet sich der Schauspieler und Hörbuchsprecher Rufus Beck. Für den 62-Jährigen, der für Alpenfreunde stilecht in modernem Trachtenjanker gewandet ist, haben die Berge "etwas mit Erden zu tun". Die "extremen Höhen und Tiefen und Herausforderungen haben doch auch viel mit meinem Beruf zu tun". Beck teilt die Leidenschaft zum Fels mit seinem Sohn Jonathan, mit dem er immer wieder in die Berge geht. Dabei hat er eigentlich Höhenangst. Aber es reizt ihn einfach, "diesen Gedankenteufel zu überwinden". Dass er sich als passionierter Bergfreund nun auch in einem großen Bild- und Interviewband neben den besten Bergsteigern der Welt wiederfindet, nimmt der gebürtige Heidelberger mit Humor: Als seine Familie das Buch in der Hand hielt und im Untertitel von "Ikonen der Bergwelt" die Rede ist, gab es im Hause Beck Gelächter, dass Rufus eine Ikone sein soll. Er entgegnete: "Jetzt habt ihr es amtlich."

© SZ vom 08.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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