SZ-Veranstaltung "The Sound of Munich":Isarplätschern

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Gibt es ihn, den München-typischen Pop-Sound? Eine SZ-Veranstaltung zeigt die Vielfalt der Münchner Bandszene.

Dirk Wagner

Zugegeben, eine sogenannte Münchner Schule hat es in der Popmusik noch nie gegeben, mögen hier noch so viele Pophelden wie Amon Düül, Embryo, Spider Murphy Gang, FSK oder die Sportfreunde Stiller herkommen.

"München ist eine Hobbyband-Stadt." Das sagte Mexican-Elvis-Musiker Laury Reichart im vergangenen Jahr im Vorfeld der SZ-Podiumsdiskussion "Pop statt Peanuts". (Foto: Foto: oh)

Selbst als hier in Giorgio Moroders Music Land Studios seit den frühen siebziger Jahren Weltstars produziert wurden und München zur Hauptstadt der Diskobewegung avancierte, blieb eine Marke wie "Sound of Munich" aus. Erst Ende der neunziger Jahre haben die Merricks einen solchen Sound per Albumtitel mit entsprechenden Referenzen in Richtung Moroder thematisiert.

Andere Bands wie Isar 12, Monostars und die Moulinettes tourten damals gemeinsam unter dem augenzwinkernden Titel "Isarlistening", und setzten so eine unterstellte Leichtigkeit und Unbeschwertheit des Münchner Easy Listening-Daseins als Kontrast zum Hamburger Diskursrock.

Eine wirkliche Bewegung ist daraus allerdings nicht gewachsen. Entsprechend lässt sich München auch nicht über eine bestimmte Szene definieren, sondern über mehrere Szenen, in denen die jeweiligen Protagonisten gefeiert werden, ohne dass die anderen Szenen auch nur etwas von ihnen ahnten.

Wobei Münchner Radiosender wie M 94,5 schon dem einen oder anderen Szenestar zur szeneübergreifenden Öffentlichkeit verhelfen, so dass allmählich über deren Sendungen wie die unter anderem von Sebastian Zehetbauer moderierte "Szene M" ein Münchenbewusstsein in der hiesigen Poplandschaft entsteht.

Dass das dann sehr Indie-Pop-lastig daher kommt, mag sowohl an der musikalischen Vorliebe jenes Senders liegen als auch am entsprechenden Programmschwerpunkt der größeren Live-Clubs in dieser Stadt. Dass daneben auch eine starke Punk- und Hardcore-Szene in München gedeiht, beweisen zahlreiche gut besuchte Konzerte im Sunny Red, im Kafé Kult oder in der Glockenbachwerkstatt.

Und auch eine elektronische Szene oder eine Hip-Hop-Kultur ist in München über Clubs und Plattenlabel vertreten. Die genießen mitunter sogar Weltruhm, so wie zum Beispiel Mathias Modicas Label Gomma, das nahezu unscheinbar in der Münchner Schellingstraße beheimatet ist.

Je tiefer man dabei eintaucht in all die Münchner Popgeflechte, desto mehr verabschiedet man sich von der Idee, in München würden nur Hobbybands spielen, wie Laury Reichert von Mexican Elvis das Popdasein in dieser Stadt noch auf der letztjährigen SZ-Diskussion zum Thema Popförderung "Pop statt Peanuts" beschrieb.

Am Freitag, den 23. Oktober, lädt die SZ wieder zur Diskussion mit zahlreichen Vertretern der hiesigen Popszenen, seien es Labelbetreiber, Fachjournalisten, Veranstalter oder Musiker. An die 18 Popformationen werden dazu im Feierwerk, Hansastr. 39, mit kurzen Auftritten einen Eindruck von der aktuellen Münchner Popvielfalt vermitteln.

Dass das ungefähr so repräsentativ ist, als würde man einen Eimer Wasser aus der Nordee schaufeln, um damit das Meer zu beschreiben, steht für die tatsächliche Dichte der Münchner Popszenen, die nicht nur andernorts gerne unterschätzt werden.

Weil man aber an besagtem Eimer Nordseewasser durchaus einige Eigenschaften desselben analysieren kann, lässt sich am Programm, das von Rock à la Elektrik Kezy Mezy über Hip-Hop à la Menekin Peace bis zu Pop im Stil von Jakob Brass reicht, ein kleiner Einblick in das derzeitige Popgeschehen dieser Stadt gewinnen. Zufrieden wird man dann auch feststellen, dass auch der oft als zu gering problematisierte Anteil an weiblichen Popschaffenden in der Stadt wächst.

Mit Sara Lugo, Claudia Koreck, Candelilla, Beißpony, Tonwertkorrektur oder Parasite Woman stehen zumindest "frauendominierte" Bands auf der Bühne, um auch mal dieses hässliche Wort zu benutzen, das immer dort verwendet wird, wo Frauen in einer männerdominierten Poplandschaft mitbestimmen. Was nicht davon ablenken soll, dass sie beispielsweise wie die Bassistin in der Indie-Pop-Formation Mexican Elvis nahezu selbstverständlich in Bands mitspielen, womit zumindest diese Gender-Diskussion, die Popkultur betreffend, in München ihre Blüten trägt.

Das würde auch das Münchner Label Chicks on Speed-Records bestätigen, würde man dieses nicht fälschlicherweise in Berlin verorten, weil die einstigen Wahlmünchnerinnen dorthin gezogen sind. Interessanterweise fielen die Chicks on Speed dann in der Bundeshauptstadt als innovativ auf, nachdem sie ihr Konzept schon lange zuvor in München entwickelt und ausprobiert hatten.

Weil aber Innovationen erst rückblickend als solche erkannt werden, wird man die gegenwärtigen erst in Zukunft diskutieren. Ob dann auch die Ein-Mann-Kapelle Joashino diskutiert wird, die ebenfalls auf der SZ-Präsentation "Sound of Munich Now" zu erleben ist, bleibt abzuwarten. Sein Konzept wirkt jedenfalls sehr futuristisch, zumindest, was den Einsatz der Technik betrifft, die es ihm gestattet, mehrere Instrumente live einzuspielen, um über immer wiederkehrende Tonspuren den Sound auszuweiten.

Andere Musiker wachsen dagegen im Zusammenspiel und leben Musik immer noch als eine Gruppendynamik, weswegen es den Münchner Rockern Pardon Ms. Arden nur recht ist, dass ihr vorübergehend abhanden gekommener Sänger wieder von seinem Auslandaufenthalt in die Isarmetropole zurück kehrte. Wohin sonst sollte so ein alter Brit-Popper auch ziehen? Nach England etwa? Nicht einmal dort ist der Brit-Pop so lebendig wie in einigen Münchner Domizilen, etwa dem Atomic Café.

Welch musikalische Vielfalt München zu bieten hat, zeigt die SZ-Veranstaltung "The Sound of Munich now" am Freitag, 23. Oktober, im Feierwerk auf (Beginn 20 Uhr, Eintritt frei). Claudia Koreck, Jacob Brass, Mexican Elvis und 13 weitere Bands werden ihr Können in kleinen, aber feinen Kurz-Sets zum Besten geben. Darüber hinaus haben die Süddeutsche Zeitung und das Feierwerk Musiker, Journalisten, Kulturschaffende und Veranstalter eingeladen, um mit ihnen in einer offenen Talkrunde zu erörtern: Was macht die Münchner Musikszene aus, was braucht sie, wo ist sie zu Hause, welche Themen beschäftigen sie? Und was muss man tun, dass diese Kreativität, diese musikalische Vielfalt, diese Klasse auch jenseits der Stadtgrenzen wahrgenommen werden?

© SZ vom 13.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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