SZ-Talentiade:Pendlerin zwischen den Elementen

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"Ein ungeschliffener Diamant": Victoria Kothny zählt im Rückenschwimmen zur deutschen Spitze. (Foto: Horst Kramer)

Die 15-jährige Dachauerin Victoria Kothny schwimmt für den SC Prinz Eugen. Sie führt die deutsche Jahrgangsbestenliste an - und will auch später hoch hinaus.

Von Horst Kramer, Dachau

Wenn die Süddeutsche Zeitung am 15. Juli die Siegerinnen und Sieger der diesjährigen Talentiade kürt, wird eine fehlen: Victoria Kothny aus Dachau. Vermutlich zieht die 15-jährige Schwimmerin dann gerade ihre Trainingsbahnen. Allerdings nicht in einer der Hallen, wo sie normalerweise zu Hause ist. Sondern auf der anderen Seite der Erdkugel, in Australien. Genauer: im Mountain Creek Mooloolaba Swimming Club in der Nähe von Brisbane, an Australiens Ostküste.

"Ich wäre so gern im SZ-Hochhaus dabei gewesen", ärgert sich die Schülerin des Dachauer Ignaz-Taschner-Gymnasiums. Andererseits ist ihre Vorfreude auf sechs Monate Australien riesig. Wie sie dazu kam? "Durch ein Schwimmstipendium. Und durch meine große Schwester." Die heißt Katharina, ist 20 Jahre alt und war vor fünf Jahren als Austauschschülerin in Brisbane. Bei einer schwimmbegeisterten Familie. Die nun den Kontakt zu dem Elite-Klub herstellte. So klein ist die Welt manchmal.

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Victoria Kothny hat ein spannendes Jahr hinter und vermutlich ein noch spannenderes vor sich. Im vergangenen Herbst wurde die damals 14-Jährige süddeutsche Jahrgangsmeisterin über 100 Meter Rücken. Im April erreichte sie das B-Finale über 200 Meter Rücken bei den offenen (alle Altersklassen umfassenden) deutschen Meisterschaften in Berlin. Die Sportlerin des SC Prinz Eugen München wurde Gesamt-20. in hervorragenden 2:21,67 Minuten. Seitdem führt Victoria Kothny die deutsche Jahrgangsbestenliste an. Anfang Mai dann ein Rückschlag: Im Sportunterricht zieht Victoria Kothny einen Muskelfaserriss im rechten Oberschenkel zu. Wenige Tage vor den süddeutschen Jahrgangsmeisterschaften. "Das hat uns einen Titel gekostet", ärgert sich ihr Coach Elvir Mangafic, Cheftrainer des SCPE. Zumal ein mehrwöchiges Sportverbot folgte.

Victoria Kothny kämpfte sich schnell wieder an die deutsche Spitze heran, unter Mangafics umsichtiger Anleitung. Der 54-jährige Bosnier hat viel Erfahrung und ist weit herumgekommen im Schwimmsport; einst war er Nationaltrainer Jugoslawiens. Schon im Juni erschwamm sich Victoria Silber bei den deutschen Jahrgangsmeisterschaften. Über 200 Meter Rücken, dank eines bravourösen Auftritts im B-Finale. Den A-Endlauf hatte sie verpasst, weil sich ihre Oberschenkel-Verletzung wieder bemerkbar machte, und vielleicht auch, weil sie die Aufgabe zu vorsichtig angegangen war. So setzte sie im B-Finale alles auf eine Karte und durchpflügte die vier Bahnen in 2:22,40 Minuten. "Da war mir alles egal, ich wollte es einfach wissen." Auch über 100 Meter Rücken setzte sie ein Zeichen: Sie drückte ihre persönliche Bestzeit auf 1:06,15 Minuten und wurde Vierte.

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"Victoria ist ein ganz großes Talent, ein ungeschliffener Diamant", lobt Mangafic. "Sie will immer etwas lernen und macht sehr konzentriert mit." Seit November 2012 arbeiten beide zusammen. Zuvor war Victoria Kothny in ihrer Heimatstadt aktiv. Nicht nur beim örtlichen Schwimmverein, dem SV Dachau, sondern auch in der Turnabteilung des TSV Dachau 1865. Mit beachtlichen Erfolgen: Das Multitalent wurde in den Landeskader berufen. Der Balanceakt zwischen Turnen und Schwimmen, Schule, Querflöte und Klavier war jedoch auf Dauer zu viel.

Also entschied sich Victoria ganz für den Schwimmsport. Und wechselte nach München zum SC Prinz Eugen, wo sie mittlerweile jedoch eine wöchentliche Odyssee vor sich hat. Der Klub ist heimatlos, seit die Stadt die alten Vereinshallen abreißen ließ. Die Neubauten werden wohl frühestens im Herbst 2017 bezugsfertig sein. Für Victoria Kothny heißt das: Um ihre wöchentlichen acht Trainingseinheiten zu absolvieren, muss sie zwischen sechs verschiedenen Standorten in München und Fürstenfeldbruck pendeln. Mutter Rosa und Vater Thomas, beide Ärzte, geben die unermüdlichen Chauffeure.

In Australien bleibt Victoria Kothny derlei Plackerei erspart. "Wohnung, Schule, Schwimmbad, alles ist zu Fuß in fünf Minuten zu erreichen." Mindestens ebenso entzückt ist sie über den langen Flug auf die andere Seite der Welt: "Dreizehn Stunden bis Singapur, dann noch einmal acht bis Brisbane." Ihre heimliche Hoffnung: Dabei einen Blick ins Cockpit werfen zu dürfen. Aus einem besonderen Grund: "Ich will Pilotin werden", sagt sie. "Vorne im Cockpit zu sitzen und vor sich nur der freie Himmel und die Wolken - das stelle ich mir herrlich vor." Victoria Kothny, 15 Jahre alt, strebt ein Leben zwischen Luft und Wasser an. Mal sehen, was sie dazwischen noch erreichen wird.

© SZ vom 25.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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