SZ am Gardasee:Wie sie mit hässlichen Kommentaren umgeht

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SZ am Gardasee: Inzwischen verdient Verena Prechtl mit ihrem Blog Geld.

Inzwischen verdient Verena Prechtl mit ihrem Blog Geld.

(Foto: privat)

"Ich bin nicht hässlich", sagt sie. "Und ich will keinen Druck mehr haben." Sie mag anziehen, was ihr gefällt, sie tut das für sich. Von der Debatte um "Body Shaming", der Kritik am Körper, hat sie erst hinterher erfahren. Am See hat sie immer schon Bikini getragen, weil die Bräune sie auch nach dem Urlaub noch wärmt. Jetzt kann es eben jeder sehen: Das schenkt ihr noch einmal mehr Freiheitsgrade im Umgang mit sich und der Welt. "Alles, was ich poste, gehört mir. Ich entscheide selbst, ob, was, wie ich etwas veröffentliche." Genau so hat sie sich entschieden, nicht einen der hässlichen Kommentare zu löschen.

Sie will das Dicksein - das Wort benutzt sie selbst - nicht schönreden. "Manchmal ist der Bauch einfach im Weg. Das kotzt mich auch an."Anfang vergangenen Jahres hatte sie ein richtiges Tief und setzte sich am Computer an ihren Blog. "Ich weiß nicht warum, aber ich habe mir jahrelang vorgegaukelt, glücklich und zufrieden zu sein, die Wahrheit ist aber: Ich bin es nicht!", hat sie da in die Nacht geschrien und geheult wie ein Schlosshund. Natürlich probiert sie Diäten, natürlich erlebt sie den Jojo-Effekt. "Natürlich würde ich gern 20, 30 Kilo weniger wiegen", sagt sie. Seit Anfang des Jahres hat sie zehn bis 15 Kilo mit einem Trainingsprogramm geschafft - und gehalten.

Groß war Verena Prechtl schon immer, als Kind war sie der "Riese", mit zwölf, dreizehn Jahren wurde sie immer kräftiger. Sie war auch immer einen Kopf größer als die Jungs, mit denen sie und ihre Freundinnen am Gardasee Zeit totschlugen. Auf dem Motoroller ging es runter nach Limone. Nachts bis vier Uhr saßen sie vor der Kirche und tranken. Ihre erste Romanze mit Stefano folgte - und um ihrer Freundin Sara zu imponieren, ist Marco einmal von der drei Meter hohen Kirchenmauer gesprungen und hat sich eine Platzwunde am Kopf geholt. Großes italienisches Drama.

Seit dem ersten Bikini-Bild hat sich viel getan

Heute grüßt sie die Jungs von früher, mehr nicht, eine Hälfte lebt noch am See, die andere ist in die Stadt gezogen. Verena und Maxi sind den ganzen Tag unterwegs, leihen sich ein Motorboot, wandern die gesperrte alte Bergstraße zwischen Riva und Limone hinauf, wo sie und ihr Vater früher in die Häuser-Ruinen gekraxelt sind, fahren Kajak, gehen zum Stand-Up-Paddling auf den See. An der Bewegung, sagt Verena Prechtl, kann es nicht liegen.

"Seit einem Jahr hat sich viel getan", sagt sie, aber das liegt nicht nur an dem Bikini-Bild. "Ich habe mich selbst lieben gelernt." Sie bekommt tausendfachen Zuspruch für ihre Arbeit. Der Blog läuft immer besser, seit etwa einem Jahr verdient sie damit Geld, das dem Gehalt eines Nebenjobs entspreche. Sie kooperiert mit Modeketten, die Plus-Size als Geschäft entdeckt haben. Sonst führt Prechtl eine Kunsthandlung in Schwabing, italienisches Design, versteht sich.

Sie lernt immer noch. "Ich bin nicht hundertprozentig so weit, dass ich mich hundertprozentig wohlfühle." An manchen Tagen sei sie sehr verletzlich. "Aber die Tage, an denen ich nicht darüber nachdenke, überwiegen."

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