SZ-Adventskalender:Neuanfang mit 70

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Sven-Arne H. war gefragt als Berater in der Werbebranche und auch in der Automobilindustrie - doch dann kam die Insolvenz. Jetzt versucht er die Armut zu überwinden

Von Thomas Anlauf, München

Er hat so viel erreicht im Leben. Hat gut, sogar sehr gut verdient. Er war gefragt als Berater in der Werbebranche und auch in der Automobilindustrie. Doch dann kam der Bruch: Mit einem Geschäft ging er pleite, das war in den Neunzigerjahren. Dann kämpfte er sich wieder nach oben, vor sieben Jahren ging er erneut in die Insolvenz. "Ich habe damals mit dem Trinken angefangen", sagt Sven-Arne H. "Mir war alles egal."

Der 70-jährige Münchner lebt heute in äußerst bescheidenen Verhältnissen. Monatlich hat er nach eigenen Angaben 350 Euro zur Verfügung, etwas mehr als zehn Euro am Tag in einer teuren Stadt wie München. Seine kleine Rente reicht nicht, deshalb erhält er ergänzende Sozialhilfe. Eine neue Brille kann er sich trotzdem nicht leisten, dabei bräuchte er sie dringend. Auch seine Zähne mussten repariert werden. H. achtet jetzt wieder auf sich. Er hat einen Entzug hinter sich, akribisch versucht er, mit dem wenigen Geld, das er zur Verfügung hat, auszukommen. "Früher konnte ich mit Geld nicht umgehen. Das habe ich erst gelernt, als ich arm wurde."

Das Problem mit den Finanzen mag auch mit einer Rechenschwäche zu tun haben, die H. von klein auf hatte. Er soll ein stilles, in sich gekehrtes Kind gewesen sein, das stundenlang am Fenster saß. "Ich hatte von früher Kindheit an Depressionen. Ich fühlte mich unverstanden", sagt H. Dazu kam ein angeborenes Wirbelsäulensyndrom, unter dem er bis heute leidet. In der Schule tat er sich manchmal schwer, auch wenn er als äußerst sprachbegabt galt. Wegen seiner Rechenschwäche musste er in München die Schule wechseln, später machte er auf Wunsch des Vaters eine Maschinenschlosserlehre, sehr zum Ärger des jungen Sven-Arne. "Ich wollte Psychologie oder Grafik studieren."

Letztlich schloss er aber dann eine Ausbildung als Diplom-Betriebswirt ab. Nebenbei organisierte er mit seinem Bruder im Münchner Norden Partys in einem Lokal. "Wir waren vielleicht die ersten DJs in München", sagt er. Es muss eine wilde Zeit gewesen sein. Schon bald verdiente er so viel, "dass ich mir pro Woche einen VW Käfer hätte kaufen können", sagte er. Als er 22 Jahre alt war, wurde er Vater. "Es war eine tolle Zeit für mich, auch wenn ich nie Urlaub genommen habe und drei Zusammenbrüche gehabt habe", erinnert er sich. Doch auf Dauer konnte der Tanz auf dem Vulkan nicht gut gehen. Seine erste Ehe zerbrach, er schlitterte in die Insolvenz. Auch seine zweite Ehe scheiterte letztlich, auch wenn er sich heute regelmäßig mit seiner Ex-Frau trifft, die ganz in seiner Nähe lebt.

H. hat trotz seiner prekären Verhältnisse wieder Mut gefasst. Vielleicht gelingt es ja, noch einmal beruflich durchzustarten. "Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg", lautet sein Motto. Die Armut will er überwinden mit seinen 70 Jahren. Er hat schon viel erreicht im Leben.

© SZ vom 10.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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