SZ-Adventskalender:Eine beinahe erdrückende Enge

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Vater, Mutter und sechs Kinder leben auf 40 Quadratmeter. Ihr Wunsch ist naheliegend: mehr Platz - aber eine größere Wohnung ist nicht in Sicht

Von Anna Hoben

Im Jahr 2002 ist Waali K. aus Conakry, der Hauptstadt des westafrikanischen Staates Guinea, nach Deutschland gekommen. Er wurde als Asylbewerber anerkannt und bezog eine Einzimmerwohnung in Laim. Sieben Jahre arbeitete er als Küchenhelfer, dann fing er an, Taxi zu fahren. Mittlerweile besitzt Waali K. die deutsche Staatsbürgerschaft, und er hat sich als selbständiger Taxifahrer eine eigene wirtschaftliche Existenz in München aufgebaut. Leicht war es nicht, "man muss dran bleiben und fleißig sein", sagt er. Dass er es geschafft hat, darauf ist er stolz.

Waali K. arbeitet als Taxifahrer, oft bis in die Nacht. Weil die Wohnung so klein ist, schläft er manchmal im Auto, um fit zu sein. (Foto: Florian Peljak)

Es dauerte bis zum Jahr 2016, da konnte seine Frau Diaka durch den Familiennachzug ebenfalls nach München kommen, mit den vier Kindern, die bereits in Guinea geboren worden waren. Drei weitere Kinder kamen in den Jahren darauf in München zur Welt, das Jüngste ist gerade ein paar Monate alt. Noch immer wohnt die Familie in der Einzimmerwohnung in Laim - zu acht auf 40 Quadratmetern. Die älteste Tochter ist mittlerweile ausgezogen.

Im Wohnzimmer steht ein Bett für die Eltern, außerdem zwei Kinderbettchen für die beiden kleinsten Kinder, den einjährigen Amara und das Baby Ferebori. Mit einem Sofa, einem Schrank, einem Kinderwagen und einem Buggy ist das Zimmer voll. Vier Mädchen müssen auf Matratzen in der Küche schlafen, weil es vom Platz her einfach nicht anders geht: die elfjährige Mawa und die neunjährige Fanta, Minata, sechs, und Bintu, drei. Es ist eine beinahe erdrückende Enge in der Wohnung, für nichts ist richtig Platz. Im Sommer können die Kinder tagsüber immerhin raus zum Spielen. Jetzt im Winter ist die Situation mehr als schwierig. Dazu kommen finanzielle Sorgen. Das Geschäft als Taxifahrer ist nur begrenzt berechenbar. Im Dezember läuft es gut, aber der Januar ist der schlechteste Monat. "Nach Weihnachten haben die Leute kein Geld mehr", sagt Waali K.

Er fährt meist bis Mittag Taxi und dann abends wieder bis in die Nacht. Die Zeit, in der die großen Mädchen in der Schule sind, nutzt er, um ein bisschen zu schlafen. Seine Frau bleibt dann mit den kleinen Kindern in der Küche, damit er sich erholen kann. Manchmal schläft er auch tagsüber im Auto. Die beiden älteren Mädchen haben keinen Schreibtisch, um ihre Hausaufgaben zu machen. Was sie sich wünschen? Ein Zimmer, sagt Mawa. Ein Zimmer, sagt Fanta. Ein Zimmer mit eigenen Betten. Mit einem Schreibtisch. Über das städtische System zur Vermittlung von Sozialwohnungen haben sie sich schon oft auf eine größere Wohnung beworben - geklappt hat es bisher nie. Waali K. bleibt trotz allem zuversichtlich. Auch wenn das Leben ein Kampf ist, er ist stolz auf seine Familie, auf seine Kinder. "Aller Anfang ist schwer", sagt er. "Aber irgendwann werden wir glücklich sein."

© SZ vom 11.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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