SZ-Adventskalender:Der einzige Wunsch? Ein paar Tage ohne Sorge

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Annalena kam als Frühchen auf die Welt, eine Hirnblutung hatte eine Spastik zur Folge. Jetzt hofft die Mutter darauf, dass eine Operation Besserung bringt - und dass sie dann wieder arbeiten kann

Von Sven Loerzer

Ein kleiner Hund ist für Annalena, der noch mehrere Operationen bevorstehen, mehr als nur ein Spielgefährte. (Foto: Robert Haas)

Wenn das zierliche Mädchen durch das Zimmer geht, könnte man meinen, dass sie sich im Ballettschritt auf Zehenspitzen versucht. Doch schon der zweite Blick lässt erkennen, dass ihre Bewegung mit Tänzeln nichts zu tun hat. "Sie läuft wie auf High Heels", sagt die Mutter. Ihre fünfjährige Tochter Annalena ( Name geändert) leidet unter einer spastischen Behinderung und einer Sehnenverkürzung an den Füßen. Der leibliche Vater hat keinen Kontakt zu seiner Tochter, "seine Familie will das wegen der Behinderung nicht".

"Meine Tochter kam als extremes Frühchen zur Welt", erzählt die Mutter, "nach der 25. Schwangerschaftswoche." Die Mutter hatte eine zunächst nicht erkannte Schwangerschaftsvergiftung erlitten, nach der Entbindung sagten ihr die Ärzte, "wären wir eine halbe Stunde später ins Krankenhaus gekommen, wären wir beide tot gewesen". Annalena kam auf die Intensivstation für Neugeborene, das kleine Mädchen musste drei Monate lang im Krankenhaus bleiben. "Ich habe sie jeden Tag im Krankenhaus besucht, das Leben hat für mich nur noch aus Klinik bestanden." Wenn das Telefon beim Klingeln eine Anrufernummer mit den Ziffern 44 anzeigte, "dann kam immer sofort die Angst", denn mit dieser Ziffernfolge beginnt die Rufnummer des Klinikums Großhadern.

Eine kleine Hirnblutung hatte eine Spastik zur Folge, die den Gang des Mädchens schwer beeinträchtigt. Den Antrag auf einen Duschstuhl habe die Krankenkasse dennoch abgelehnt. "Dabei ist das Duschen im Stehen gefährlich, weil sie nur auf den Zehenspitzen stehen und so leicht ausrutschen kann", sorgt sich die Mutter. Neue Hoffnung schöpft die Mutter durch ein noch relativ junges Operationsverfahren, die selektive dorsale Rhizotomie. Das ist ein komplizierter, sehr lang dauernder operativer Eingriff am Rückenmark, bei dem Spezialisten unter dem Mikroskop einzelne Nervenfasern durchtrennen. Auf diese Weise lässt sich die Spastik reduzieren und das Gangbild bessern. Zu Voruntersuchungen war die Mutter mit ihrer schwerbehinderten Tochter bereits in Tübingen. Noch ist nicht abschließend geklärt, ob Annalena im nächsten Jahr in Tübingen operiert wird. "Es stehen noch viele Arzttermine an." Annalena ist davon alles andere als begeistert, "sie hat schon Angst vor Ärzten, denn die Untersuchungen sind nicht ganz angenehm". Probleme hat das kleine Mädchen auch mit der Hüfte, "der Hüftkopf ist zu klein, er sitzt nicht richtig in der Pfanne und droht rauszuspringen".

Ein kleiner Hund, der vorübergehend in der Nachbarschaft war, wurde Annalenas Spielgefährte. "Der Abschied war richtig, richtig traurig, sie hatte sich schon immer einen Hund gewünscht." Obwohl das Geld knapp ist, tollt nun ein kleines Fellbündel wie ein Therapiehund durch die Wohnung, "mit ihm spielt und läuft sie".

Mal wegzufahren, ein paar Tage lang ohne Sorgen, wünscht sich die Mutter: "Es gibt so viele schöne Ecken in Deutschland." Aber dafür wird das Geld allenfalls reichen, wenn OP und Reha gut verlaufen, Annalena dann den Kindergarten besuchen kann - und die Mutter auch wieder arbeiten gehen kann, als hauswirtschaftliche Mitarbeiterin in einem Kindergarten. Die Mutter sagt nur: "Man muss das Beste aus der Situation machen."

© SZ vom 06.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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