SZ-Adventskalender:Das ganze Leben geschuftet

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Arthrose, Asthma, Herzrasen: Ilse S. ist krank und hat kein Geld

Von Thomas Anlauf, München

Vier Jahrzehnte lang hat Ilse S. anderen Menschen geholfen. Sie hat sie gepflegt, aufgerichtet, medizinisch versorgt. Jetzt ist Ilse S., die so lange Zeit als Krankenschwester an verschiedenen Kliniken in München gearbeitet hat, selbst auf Hilfe angewiesen. Durch die oft schwere körperliche Arbeit kann sie kaum noch laufen, hat Arthrose in Knie, Fuß und Sprunggelenk, dazu kommt noch das Asthma, das erhöhte Cholesterin, Herzrasen. "Es ging halt nimmer", sagt die 66-Jährige. 2007 musste Ilse S. gesundheitsbedingt in Frührente gehen. "Es war schon ein Knochenjob, aber mir hat's Spaß gemacht." Damals war sie wenigstens noch unter Menschen.

Heute hat sie nur noch ihre zwei Kaninchen, die etwas Abwechslung in ihren Alltag bringen. Auf die Straße kommt sie nur selten. Und seit sie vor zehn Jahren in den Münchner Osten ziehen musste, trifft sie ihre alten Bekannten aus der Maxvorstadt und Schwabing kaum mehr. Dabei liebte sie das Leben in der Maxvorstadt so sehr. "Ich kannte alle Geschäftsleute in der Straße", mit ihren Freunden traf sie sich gelegentlich im Türkenhof oder anderen Lokalen im Viertel zum Feiern.

Ilse S. war eine lebenslustige Frau. Mit 18 Jahren ging sie fort aus einer Kleinstadt in der Oberpfalz nach München. "Ganze Nächte haben wir damals am Monopteros verbracht", sagt sie und lacht. Es waren halt die Achtundsechziger damals, und das Leben vieler jungen Leute spielte sich wie bei Ilse S. bei Demos auf der Straße oder bei Picknicks im Englischen Garten ab.

Das alles ist lange her. Die Frührente reichte nicht mehr zum Leben in der teuren Maxvorstadt, Schulden häuften sich an. Sie musste die Wohnung aufgeben und lebt nun allein am Rand der Stadt in einer kleinen Wohnung. "Es ist schon sehr eintönig", sagt Ilse S.. Zumal sie sich in ihrer angespannten finanziellen Situation nichts leisten kann. Die Waschmaschine in ihrer kleinen Küche ist kurz davor, kaputt zu gehen. Eine neue könnte sie sich gar nicht anschaffen, aber einen Waschsalon gibt es weit und breit nicht. Ihr alte Matratze bereitet ihr längst Beschwerden in den Knochen, auf orthopädische Schuhe wegen der Sprunggelenksverletzungen und der Arthrose wagt sie kaum zu hoffen. Was, wenn die Waschmaschine den Geist aufgibt oder eines ihrer Kaninchen dringend zum Arzt muss? "Davor habe ich einen Horror", sagt Ilse S.. Das wären Ausgaben, die sie mit ihrer kleinen Rente und dem Wohngeld, das sie erhält, gar nicht stemmen könnte.

Trotzdem ist Ilse S. immer noch zuversichtlich, dass sich ihr Leben verbessern könnte, zumindest gesundheitlich. "Ich geb' die Hoffnung nicht auf", sagt sie. Darauf arbeitet sie hin, denn sie hat ein Ziel. Ilse S. ist ein großer Fan von Helene Fischer, eine Freundin hat ihr ein Ticket besorgt. Die 66-Jährige Ilse S. hofft, bis dahin wieder so fit zu sein, um auf das Konzert in der Olympiahalle gehen zu können - Ende Februar 2018.

© SZ vom 08.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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