Synchronschwimmen:Zum Training nach Ungarn

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Das Isarnixen-Duett Marlene Bojer und Daniela Reinhard hofft auf den DM-Titel und auf Olympische Spiele - zugleich stecken sie mitten im Sanierungsstau der Münchner Schwimmbäder.

Von Sebastian Winter, München

Wenn Barbara Liegl über die Bädersituation in München redet, kann sie sehr leicht einen sehr hohen Puls bekommen. Liegl, Vorstand, Sprecherin, Trainerin und Mädchen für alles bei der SG Stadtwerke und dort Kümmerin bei den Synchronschwimmerinnen "Isarnixen", kämpft ohnehin gegen Windmühlen im Randsport. Und ob sie dabei dann noch ein wenig mehr Wasser aufwirbelt in ihrer Stadt, in der es die Isar gibt, aber zu wenige Wasserflächen, ist ihr letztlich auch egal. Und so sagt Liegl: "Uns wird so viel wie geht ermöglicht. Aber die Bedingungen sind gerade eine Katastrophe."

München hat in WM-Teilnehmerin Marlene Bojer und Daniela Reinhardt ein Duett, das Potenzial hätte für die Spiele in Tokio, an diesem Wochenende wird es bei der deutschen Meisterschaft in Flensburg aller Voraussicht nach in den Titel holen - und Bojer das Einzel gewinnen. "Die beiden sind gerade uneinholbar", sagt Liegl. Die Teamwettbewerbe Gruppe und Kombination wollen die Münchner ebenfalls gewinnen. In der Kombination waren sie noch nie deutscher Meister, in der Gruppe waren sie es in ihren Glanzzeiten von 1957 bis 1981 unglaubliche 25 Mal in Serie - und danach letztmals 1991.

Nun entwickelt sich München wieder zur deutschen Synchronschwimm-Hochburg, leidet aber enorm unter der schwierigen Bädersituation. Die beiden Haupttrainingsbäder der Isarnixen, die Olympia-Schwimmhalle und das Engadiner Schulbad, werden gerade saniert - die Arbeiten in der Olympia-Schwimmhalle verzögern sich zudem offenbar massiv. Der für vergangenen Mai anvisierte Start des Bauabschnitts zwei ist immer noch nicht erfolgt, weil es "in der Sauna mehr Sanierungsaufwand" gegeben habe, wie ein Stadtwerke-Sprecher sagt. Das für Frühjahr/Sommer 2018 geplante Ende der Sanierung ist damit kaum mehr haltbar.

Immerhin können die Sportler in der Olympiaschwimmhalle gerade trainieren, ihr Sponsor und Betreiber Stadtwerke ist ihnen dort auch sehr entgegengekommen. Aber es ist dort eben gerade auch staubig und zugig und kühl - fragwürdige Bedingungen für Spitzensportler. Die Situation ist derzeit so angespannt, dass die SG-Sparte Wasserspringen in diesem Winter quasi nicht mehr existiert, Leiter Ingo Straube muss auf externe Standorte ausweichen. "Er hat mir gesagt, dass die Sportart in München gerade mehr oder weniger tot ist. Das ist schon ein Trauerspiel", sagt Liegl.

"Es müssen dringend neue Sportbäder her, um den Bedarf zu decken."

Das Dantebad, das Morawitzkybad und das Willi-Graf-Bad seien zu Beginn des Schuljahres auch geschlossen gewesen, ins private Becken des Isarsport-Gymnasiums können die Talente der SG abends und am Wochenende nicht hinein. Das Harlachinger Bad stehe abends mitunter leer, berichtet Liegl, habe aber dann kein Personal für den Betrieb. "Es gibt die Wasserflächen in München nicht, die man bräuchte. Es müssen dringendst neue Sportbäder her, um den Bedarf sowohl der Vereine als auch der Schulen zu decken", findet der SG-Vorsitzende Andreas Füchsl. Die Verantwortlichen wissen, dass es anderen Klubs ähnlich geht, auch Freizeitschwimmer und normale Badegäste leiden. Aber die SG hat eben Deutschlands bestes Synchronschwimm-Duett - das gefördert werden will und muss. Die Isarnixen sind zugleich so populär, dass sie nach Ibiza zu Werbeauftritten für Automobilriesen reisen, Kai Pflaume ist Fan und Förderer, bald sind sie mal wieder im Fernsehen zu sehen - im Kinderkanal. Und ihre Weihnachts-Wassershow, diesmal wird die "Kleine Hexe" aufgeführt, ist ohnehin stets ausverkauft.

So entschieden die SG-Verantwortlichen, Bojer und die anderen am vergangenen Wochenende ins Trainingslager nach Kecskemét zu schicken. In Ungarn, südlich von Budapest. Elf Stunden mit dem Zug. Erst dort konnten Bojer, Reinhardt und die anderen wieder konzentriert trainieren. Finanziert wurde es von den Sportlerinnen selbst, der SG und über Einnahmen der Weihnachtsshow.

Flensburg soll nun ein Zwischenschritt für Bojer und Reinhardt sein auf dem Weg in die internationale Spitze. Nächstes Jahr wollen sie bei der World Series mitmachen, wo es Punkte, Prämien und, so hoffen sie, einen Popularitäts-schub gibt. Das Duett kämpft auch national um Anerkennung, in einem Sport, in dem es derzeit keinen hauptamtlichen Bundestrainer gibt. Es wünscht sich, künftig von der Sporthilfe gefördert zu werden. In diesem Jahr hatten beide B-Kaderstatus und theoretisch Anspruch auf 200 Euro monatlich, bekamen das Geld aber nicht. Offenbar haben sie nun immerhin Chancen auf eine Förderung. "Wenn ein Duett eine Olympia-Perspektive hat, dann Marlene und Daniela", sagt Liegl. Bei der DM schwimmen sie auf japanische Musik - passend zu Tokio.

© SZ vom 11.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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