Synchronschwimmen:Mehr als irgendetwas Feminines

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Marlene Bojer und Teresa Goetzeler sind die erfolgreichsten Synchronschwimmerinnen der SG Stadtwerke. Nach Platz sieben bei der EM bereiten sie sich nun intensiv auf die deutsche Meisterschaft im Münchner Nordbad vor

Von Catrin Schreiner, München

Marlene Bojer und Teresa Goetzeler ziehen viele Blicke auf sich, als sie vom Beckenrand des Olympiabades ins Wasser steigen. Beide tragen enge, glitzernde Anzüge in grün-schwarz und haben ihre Haare streng nach hinten gebunden. Als die Klassikmusik beginnt, strecken sie synchron ihre Arme nach oben, drehen sich und tauchen elegant durch das Wasser.

Bojer, 21, und Goetzeler, 19, gehören zu den Isarnixen, den Synchronschwimmerinnen der SG Stadtwerke München. Sie waren Ende August bei der Europameisterschaft in Berlin und holten den neunten Rang im Team und Platz sieben im Kombinationswettbewerb. Kürzlich wurde ihr Verein mit dem Qualitätssiegel "Nachwuchsstützpunkt Synchronschwimmen" ausgezeichnet, eine Anerkennung des Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV) für gute Jugendarbeit. Damit gehört die SG Stadtwerke neben Flensburg, Bochum, Berlin, Brackwede und Neuburg zu den besten deutschen Nachwuchsstätten.

Die Isarnixen, hervorgegangen aus einem 1903 gegründeten Frauenschwimmverein, waren früher das Maß aller Dinge im deutschen Synchronschwimmen. Seit der ersten Meisterschaft 1957 gewannen sie in 34 Jahren mehr als 160 Titel bei den Erwachsenen und Junioren. Dann verließ der verantwortliche Trainer den Verein, und mit ihm gingen viele talentierte Sportler, die Abteilung geriet in Vergessenheit.

Mittlerweile sind die Isarnixen auf dem Weg zurück zur alten Form, auch dank hoch qualifizierter, engagierter Trainer wie der Bulgarin Mira Rankov. "Sie gehört zu den wenigen, die noch daran glauben, dass das deutsche Synchronschwimmen wieder international wettbewerbsfähig sein wird", sagt SG-Sprecherin Barbara Liegl. Für sie sind Marlene Bojer und Teresa Goetzeler der beste Beweis für eine junge, fleißige Generation mit guten Leistungen. Sie trainieren nicht nur bei den Isarnixen, sondern werden auch von Bundestrainerin Doris Ramadan gefördert. Ramadan, früher selbst erfolgreiche Synchronschwimmerin mit Olympia- und WM-Teilnahmen, leitet den deutschen Stützpunkt in der Olympiahalle. Das ist schon alleine geografisch ein großer Vorteil für Bojer und Goetzeler. "In München ist alles auf den Leistungssport ausgerichtet, stärker als in anderen Städten", erklärt Bojer den Aufschwung ihres Vereins.

Synchronschwimmen, nur für Frauen eine olympische Disziplin, ist Kunst im Wasser. Die Sportler schwimmen zu Musik, alleine oder in der Gruppe. Die Figuren sind anspruchsvoll, mit angehaltener Luft müssen sie an Rhythmus und Synchronität denken. Neben den Showelementen kommt es auf die richtige Technik an. Viele könnten sich darunter nur wenig vorstellen, Ballett kenne beispielsweise jeder, sagt Goetzler, aber über Synchronschwimmen gäbe es in der Gesellschaft wenig Vorwissen. Dementsprechend unsicher reagieren auch ihre Freunde auf die Frage, was die beiden im Wasser überhaupt machen. "Irgendetwas Feminines ist dann die Antwort."

Der Sport ist eine reine Frauendomäne. Die SG Stadtwerke hat in ihrer 60 Mitglieder großen Wettkampfabteilung lediglich einen Jungen. "Es gibt noch immer das Vorurteil, wer als Mann synchron schwimmt, sei schwul", sagt Sprecherin Liegl. Um Männer für den Sport zu begeistern, baut der Verein nicht nur ein erstes gemischtes Team auf, sondern veranstaltet im Dezember eine Show, bei der die Schwimmer und Wasserballer der SG Stadtwerke genauso eingebunden werden wie die Isarnixen.

Marlene Bojer (links) und Teresa Goetzeler müssen auch gegen Vorurteile anschwimmen - mit internationalem Erfolg. (Foto: Barbara Liegl/oh)

Der Männermangel ist insgesamt ein Problem: Der DSV lässt sie zwar zu den Wettkämpfen zu, die Regeln des internationalen Dachverbandes FINA verbieten dies aber. Der bekannteste Fall: US-Synchronschwimmer Bill May setzte sich bei den amerikanischen Meisterschaften 2000 gegen die komplette Frauen-Elite durch, durfte bei den Olympischen Spielen in Sydney aber nicht starten. May klagte, geändert hat sich allerdings nichts. "Wir würden uns freuen, wenn wir ein paar männliche Kollegen hätten. Das würde den Sport abwechslungsreicher machen", sagt Goetzeler.

Größere Sorgen bereitet der Sportart aber die Zukunft. Denn seit 1992 hat kein deutsches Team mehr an Olympia teilgenommen. Der Versuch war zwar da, vieles passte aber nicht zusammen: Die große Konkurrenz - nur acht Teams dürfen bei der Veranstaltung starten - , lange Schultage und zu wenige Sportler, um ein aussichtsreiches Duett zusammenzustellen. "Die Verbände erwarten erst den Erfolg, bevor sie den Sport unterstützen. Andere Länder investieren mehr Geld", sagt Bundestrainerin Ramadan, die seit einem Jahr im Amt ist. Außerdem sei der Sport sehr trainingsintensiv, was viele abschrecke.

Bei Bojer und Goetzeler ist das nicht der Fall. Momentan sind die beiden Synchronschwimmerinnen im Sportzentrum Kerenzerberg in der Schweiz im Trainingslager, der Fokus liegt auf der Vorbereitung für die deutsche Meisterschaft 2015 im Münchner Nordbad. Dafür steigen die Nachwuchssportlerinnen rund 25 Stunden pro Woche ins Wasser. Die Anzüge, die Musik, die Kür, die Bewegungen - alles muss intensiv vorbereitet werden. Denn nächstes Jahr wollen sie vor heimischem Publikum alle Blicke auf sich ziehen.

© SZ vom 29.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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