Als Büro-Ekel Stromberg ("mein Life-Time-Gift") treibt er das Fremdschämen im Fernsehen auf die Spitze. Doch Christoph Maria Herbst hat noch andere Talente: Derzeit tourt der preisgekrönte Schauspieler, Jahrgang 1966, durch Deutschland, um aus seinem ersten Buch zu lesen: In "Ein Traum von einem Schiff" hat Herbst die Erlebnisse an Bord des ZDF-"Traumschiffs" verarbeitet, das er auch als "schwimmende Schwarzwaldklinik" bezeichnet. Der geborene Wuppertaler tritt am kommenden Freitag um 19.30 Uhr in der Freiheizhalle auf.
Wie und wann ist die Idee entstanden, dass Sie dem TV-Engagement Anfang 2010 ein Buch folgen lassen?
Es war tatsächlich so, dass ich an Bord feststellte: Fünf Drehtage in sechs Wochen sind nicht gerade ein Vollzeitjob. Irgendwann hatte ich jedes Buch gelesen und jede DVD geguckt, die ich dabei hatte. Und ich fragte mich: Wohin mit meiner Energie? Künstlerisch fühlte ich mich auch nicht gerade überfordert, also fing ich an, meinen Freunden und meiner Familie E-Mails zu schreiben, was ich alles so erlebe und an Bord beobachte. Die Reaktionen waren immer dieselben: Dass meine Freunde Pipi in den Augen hatten und gesagt haben: Mensch, das ist ja köstlich!
Wie wurde daraus ein Buch?
Die Menge, die ich geschrieben hatte, reichte natürlich nicht für ein Buch. Also habe ich mich danach - ganz dem Klischee entsprechend - auf eine einsame Insel zurückgezogen und den Rest für ein Buch dieser Größenordnung fiktional zusammengeschrieben.
Die beschriebenen Erlebnisse sind also mehr Fiktion als Realität?
Das Ganze heißt bewusst: eine Art Roman. Ich bin ja nicht als Peter Scholl-Latour da hingefahren. Wenn ich 1:1 geschrieben hätte, was ich auf dem Schiff erlebt hatte - und nicht 1:2 oder 1:10, wie ich es mache -, dann hätte ich einfach nur für einen großen Kollektivschlaf gesorgt. Ich wollte die Leute ja belustigen. Natürlich ist das kein Schlüsselroman. Ich habe einen ganz eigenen Ensemble-Kosmos aufgebaut. Was aber stimmt: Alle Figuren sind mir auf die eine oder andere Weise in meiner Karriere schon mal untergekommen. Wenn Sie so wollen, ist das Buch eine große Allegorie auf die Branche, auf die ich draufgucke.
Sie haben einen sehr pointierten Comedy-Stil. Wer hat Sie inspiriert? Sie sind ja in erster Linie Schauspieler und Interpret und kein Autor.
Spontan würde ich sagen: Ich empfinde mich als fleischgewordene Schnittmenge aus Tommy Jaud und Thomas Mann.
Steile These!
Ja, nicht wahr? Das muss man sich erstmal trauen, die beiden in einem Satz zu nennen. Ich kenne Tommy ja schon ziemlich lange. Der hat so eine knappe, wurstige Art, seine Pointen zu streuen. Ralf Husmann dagegen geht schon etwas mehr in die Tiefe, er beschreibt seine Figuren psychologisierender. Das habe ich mir dann auch so ein bisschen zu eigen gemacht. Und dieses nicht ausschließlich zu Hauptsätzen neigende, das habe ich von Thomas Mann - oder eigentlich von Heinrich Heine, der ja auch hochgradig ironisch war. Ich mag auch Stefan Zweig sehr gerne.
Es heißt, Sie arbeiten bereits an Ihrem zweiten Buch?
Ja, ich bin an einem autobiografischen Mystery-Thriller dran - auch total verschwurbelt irgendwie.
Um "Ein Traum von einem Schiff" gab es anfangs großen Wirbel. Durch eine gerichtliche einstweilige Verfügung mussten Passagen geschwärzt werden.
Es ist bis heute so, dass das Buch nur geschwärzt im Handel zu kaufen ist. Der Staatsanwalt hat aber das Hörbuch vergessen als Medium. Wenn man sich das anhört, wird man an entsprechenden Stellen feststellen, dass das Ganze ein Sturm im Wasserglas ist.
Inwiefern?
Man kommt von dem Gedanken nicht weg, der einen verfolgt, nämlich dass wir - zumindest in homöopathischen Dosen - doch in einer Bananenrepublik leben. Dass es möglich ist, mit so etwas Kunst zu zensieren. Denn natürlich bin ich in meiner Autorenschaft in meiner Freiheit bestohlen worden. Über eine Figur, die komplett fiktiv ist.
Werden Sie bei den Lesungen jene Stellen präsentieren, die zensiert wurden?
Die Lesung wird etwa 90 Minuten dauern - das ist eine Zeit, die man dem Zuhörer gerade noch zumuten kann. Es ist eine knackige Fassung, die ich dafür zusammengestrichen habe, die aber in sich rund ist. Ich entscheide immer recht situativ, ob ich auch die geschwärzten Passagen lese oder piepse. Das mach' ich immer nach Lust und Laune. Ich checke vorher, wie viele Staats- und Rechtsanwälte im Publikum sitzen. Aber soweit ich weiß, steht in der einstweiligen Verfügung nur drin, dass das Buch vom Markt genommen werden muss. Da steht nicht drin, dass der Herbst die Passagen nicht vorlesen darf. Mal schauen, was ich bei meiner Lesung demnächst in München machen werde.