Das Streikrecht ist das schärfste Instrument von Arbeitnehmern, um ihre Interessen durchzusetzen. Ohne Streikrecht, so hat es das Bundesarbeitsgericht einmal formuliert, würden Tarifverhandlungen zum "kollektiven Betteln" werden. Streiks sind keineswegs nur als allerletztes Mittel gerechtfertigt, wenn alle anderen Möglichkeiten bereits ausgeschöpft sind. Sondern durchaus auch in der frühen Phase eines Tarifstreits, um Druck auf die andere Seite auszuüben und festgefahrene Verhandlungen wieder in Bewegung zu bringen. Deshalb dürfen Streiks nicht nur wehtun, sie müssen es sogar, sonst würden sie nichts bewirken und wären mithin überflüssig.
Auch für Streiks gilt aber das Gebot der Verhältnismäßigkeit. Dabei geht es nicht um die Frage, ob die Forderung, für die gestreikt wird, berechtigt oder überzogen ist. Sondern allein darum, ob die Folgen eines Streiks angemessen und verantwortbar sind. Bei den Warnstreiks im öffentlichen Dienst ist dies nicht der Fall. Wer den gesamten öffentlichen Nahverkehr einer Großstadt lahmlegt, handelt egoistisch und verantwortungslos.
Denn er trifft nicht etwa die Bosse. Die fahren entweder mit dem Dienstwagen oder dem eigenen Pkw in die Arbeit und stehen halt ein wenig länger im Stau. Er trifft alle, die auf den öffentlichen Verkehr angewiesen sind, weil sie anders die großen Entfernungen einer Großstadt nicht überbrücken können. Er trifft Leute, deren Chef nicht verständnisvoll darauf reagiert, dass man zu spät oder gar nicht zur Arbeit kommen kann. Leute, die mehr Angst um ihren Arbeitsplatz haben, als die Beschäftigten im sicheren Hafen des öffentlichen Dienstes jemals haben werden. Ein Streik aber, der nur die Schwächsten trifft, ist zynisch.