Residenztheater:Wie verändern wir die Gesellschaft, die Welt zum Besseren?

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Das Residenztheater startet mit drei Premieren, in denen es um die Bedeutung politischen Engagements geht.

Von Christiane Lutz

Wenn man sich anschaut, mit welchen drei sehr unterschiedlichen Produktionen das Residenztheater in die neue Saison startet, scheint da zunächst wenig Verbindendes: ein Klassiker von Peter Weiss, eine Uraufführung eines kuwaitischen Regisseurs auf deutsch und arabisch und eine für die Bühne adaptierte Kleist-Novelle, die auf Tahiti spielt. Beim zweiten Hinsehen aber gibt es doch ein paar Fragen, die sich über jede Produktion stellen lassen: Wie verhalte ich mich in einer politisch kritischen Situation? Wann mische ich mich ein? Und wenn ich es tue - wie?

Der Eröffnungsreigen beginnt am 27. September mit Peter Weiss' "Marat/Sade". Regisseurin Tina Lanik, die dem Residenztheater seit vielen Jahren treu verbunden ist, inszeniert das Stück, das schon bei seiner Uraufführung 1964 begeistert aufgenommen wurde. Sie verzichtet allerdings darauf, das Ganze in einem Irrenhaus spielen zu lassen, wie es die Originalfassung vorsieht. Zur Erinnerung: Ein paar Menschen studieren ein Theaterstück über die Ermordung Jean Paul Marats ein. Marat galt während der Französischen Revolution als Kämpfer für die Rechte des Volkes. Inszeniert wird das Stück im Stück von einem gewissen Herrn de Sade, dessen Überzeugung einen Gegenpol zu Marat darstellt. Die Regisseurin Tina Lanik möchte sich weniger mit Details der Französischen Revolution befassen, als vielmehr mit den Fragen: Wie verändern wir die Gesellschaft, die Welt zum Besseren?

Ein grelles Spektakel, inklusive Drehbühne und Guillotine

Unterstützt wird sie von einer ganzen Reihe toller Schauspieler. Dabei sind Charlotte Schwab als Marquis de Sade, Nils Strunk als Marat, Pauline Fusban, Lilith Hässle und Thomas Lettow, sowie ein singendes Herrenquartett. Wie bei Peter Weiss üblich, hat sich Lanik vorgenommen, ein grelles Spektakel zu zaubern, inklusive Drehbühne und Guillotine.

Am Freitag findet dann im Marstall die Uraufführung "Ur" statt. Ein Text des kuwaitischen Autors und Regisseurs Sulayman Al Bassam. "Ur" meint die einstige Stadt in Mesopotamien (angeblich die Heimatstadt Abrahams) und heutige archäologische Ausgrabungsstätte. Al Bassam webt aus verschiedenen Zeitebenen ein Stück über das kulturelle Gedächtnis der Menschheit. Er erzählt von Ur vor mehr als 2000 Jahren, berichtet von der Ausgrabung der Stadt im frühen 20. Jahrhundert und von der Gegenwart, in der kulturelle Denkmäler Kriegen zum Opfer fallen. Neben Schauspielern aus dem Ensemble (Tim Werths, Gunther Eckes, Bijan Zamani) arbeitet Al Bassam mit arabischsprachigen Darstellern, auf der Bühne wird deutsch und arabisch gesprochen.

Als drittes nimmt sich der Regisseur Robert Borgmann dann die Kleist-Novelle "Die Verlobung in St. Domingo" im Cuvilliéstheater vor. Ein Text, der nicht per se auf die Bühne drängt und selten aufgeführt wird. "Die Verlobung in St. Domingo" spielt während der Haitianischen Revolution, nach der aus der ehemaligen Kolonie Saint Domingue ein unabhängiger Staat entstand. Kleist erzählt von einem Schweizer, der während des Sklavenaufstands Unterschlupf bei einer Familie sucht, an deren Spitze ein Schwarzer namens Congo Hoango steht. In nur einer Nacht verlieben sich der Schweizer und Congo Hoangos Ziehtochter Toni. Daraufhin soll der Weiße verschont werden. Was vordergründig wie ein Stück über Kolonialgeschichte aussieht, möchte Regisseur Borgmann mit nur vier Schauspielern zu einer aktuellen Parabel über Feindbilder machen, über das Fremde und die Frage, für wen heute Begriffe wie Menschlichkeit, Gleichheit und Brüderlichkeit überhaupt noch gelten.

Marat/Sade; Do., 27. Sept., 19. 30 Uhr, Ur; Fr., 28. Sept., 19.30 Uhr, Die Verlobung in St. Domingo; Sa., 29. Sept., 19.30 Uhr, Residenztheater, verschiedene Spielstätten, t 21 85 19 40

© SZ EXTRA vom 27.09.18 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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