Stellungnahme zu Verkehrswegeplan:"Eine Peinlichkeit"

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Die Stadt veröffentlicht ihre Stellungnahme zum Entwurf des Bundesverkehrswegeplans: Das von der WPS verfasste Schreiben liest sich teilweise wie ein Propaganda-Flyer aus dem letzten Wahlkampf und gipfelt in einer Empfehlung, die unter Fachleuten als utopisch gilt

Von Peter Haacke, Starnberg

Lange war darüber spekuliert worden, was in der Stellungnahme der Stadt Starnberg zum Bundesverkehrswegeplan (BVWP) 2030 stehen könnte. In der für Starnberg so elementaren Frage nach einer Verkehrsentlastung ist der B2-Tunnel zwar weiterhin im BVWP-Entwurf aufgeführt, jedoch nicht mehr im "vordringlichen Bedarf". Das Rätselraten über den Inhalt des Schreibens aus dem Starnberger Rathaus hat nun aber ein Ende: Der bereits am 2. Mai nach Berlin übermittelte Text liegt seit Mittwoch auch der Presse vor: Im unübersichtlich formatierten Schreiben über zweieinhalb Seiten ohne Kopf und Unterschrift heißt es als "Fazit und Empfehlung der Stadt" zum BVWP: "Für den Fall, dass die Stadt Starnberg eine Umfahrungsstraße als Realisierungskonzept für die verkehrliche Entlastung der Stadt beschließt, sollte dieses Projekt anstelle des B2-Entlastungstunnels im Bundesverkehrswegeplan aufgenommen werden."

Die Stellungnahme der Stadt ist ein Entwurf der WPS, der bei der Abstimmung im Stadtrat am 2. Mai jedoch nicht allen Mitgliedern des Stadtrates inhaltlich bekannt war. Die Stadtverwaltung hatte das Schreiben nur wenige Stunden zuvor verschickt.

Angesichts des offensichtlichen Informationsdefizits einiger Gremiumsmitglieder hatten sich gegen 23 Uhr kurzzeitig tumultartige Zustände ergeben: Stellvertretender Landrat Tim Weidner (SPD) verließ voller Empörung den Sitzungssaal, Martina Neubauer und Franz Sengl (Grüne) verweigerten ihre Teilnahme am Votum, Anträge zur Geschäftsordnung wurden ignoriert. Dennoch wurde der WPS-Text durchgepeitscht: WPS, BMS, FDP und Klaus Rieskamp (BLS) segneten die Vorlage als offizielle Stellungnahme der Stadt ab, die der Bundesregierung kurz vor Fristende um Mitternacht per E-Mail übersandt wurde. Zwar hatten auch CSU, UWG, SPD und Grüne einen Entwurf zur Abstimmung vorgelegt, doch eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Texten fand nicht statt.

Der nun von der Stadtverwaltung veröffentlichte WPS-Text liest sich in Auszügen wie ein Propaganda-Flyer aus dem letzten Wahlkampf: "Hohe städtebauliche positive Bedeutung hat nur die Umfahrung"; "Der B2-Entlastungstunnel verstärkt ( . . . ) die bereits extreme Verkehrskonzentration in der Stadt" und "Die Umfahrung ( . . . ) ist verkehrstechnisch und politisch alternativlos!" heißt es unter anderem. Der Tunnel sei "funktionslos" und hinsichtlich seiner städtebaulichen Wirkungen "kontraproduktiv". Die Umfahrung dagegen habe eine "mehr disperse Wirkung auf die Verteilung des Verkehrs".

Überdies bezweifelt die WPS diverse Angaben des Bundesverkehrsministeriums zum B2-Projekt: Weder prognostizierte Verkehrszahlen noch Kostenangaben oder Kosten-Nutzen-Verhältnis für den Tunnel seien richtig. "Das widerspricht jeder Vernunft und der Risikobewertung in eklatanter Weise", heißt es. "Der B2-Tunnel entlastet die Region, nicht die Stadt Starnberg." Die WPS rechnet damit, dass "die Hälfte des potentiellen B2-Durchgangverkehrs am Maxhof auf die Westumfahrung verlagert wird". Eine Entlastung der Innenstadt - Bahnhofstraße, Wittelsbacher oder Kaiser-Wilhelm-Straße - vom Durchgangsverkehr der Staatsstraße 2063 (Possenhofener Straße) könne nicht dem B2-Tunnel zugerechnet werden. Starnberg habe ein "gewaltiges Staatsstraßenproblem", das bei Planfeststellung des Tunnels und im BVWP nicht berücksichtigt worden sei. Der Tunnel sei als "riesige Geldverschwendung" zu rügen, das Verkehrsproblem könne "nur simultan auf strategisch-konzeptioneller Ebene" gelöst werden.

Jürgen Busse (UWG) empfand das Vorgehen im Gremium als "unfassbare Zumutung", zumal die Stadtverwaltung ("eine Peinlichkeit") keinen eigenen Entwurf erstellt hatte. Und Stefan Frey (CSU) rügte das Prozedere als Verhinderung des B2-Tunnels um jeden Preis, bei der jedes Mittel und jede Trickserei recht seien. "Die Bürgermeisterin ist leider Gefangene ihrer Allianz mit Herrn Picker", sagte er.

Wie die Stellungnahme der Stadt zum BVWP und zu ihrem Verkehrsproblem von der Bundesregierung interpretiert wird, ist bislang unbekannt. Fraglich ist zudem, ob der Stadtrat überhaupt jemals ein Realisierungskonzept für eine Umfahrung zustande bringen wird, das frühestens im Jahr 2030 im BVWP berücksichtigt werden könnte - nach Ansicht von Fachleuten eine Utopie. Möglicherweise aber wurden mit dem Schreiben jahrzehntelange Bemühungen um eine machbare Verkehrslösung - den B2-Tunnel - konterkariert. Allerdings haben auch CSU, UWG, SPD und Grüne ihren Entwurf - unabhängig von der Stadt - eingereicht. Und in Starnberg selbst könnte die denkwürdige Sitzung vom 2. Mai auch noch ein Nachspiel durch die Kommunale Rechtsaufsicht haben.

© SZ vom 13.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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