Wohnungsmarkt im Fünfseenland:Bezahlbarer Wohnraum bleibt Mangelware

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Die Kommunen des Landkreises geraten in Bedrängnis: Zwar gehen die Flüchtlingszahlen zurück, doch anerkannte Asylbewerber müssen sich eine eigene Wohnung suchen. Der Druck auf dem ohnehin angespannten Markt bleibt

Von Astrid Becker, Starnberg

Man muss sich mal in eine solche Lage hineinversetzen: Ein Mensch flieht unter lebensbedrohlichen Umständen aus seiner Heimat. Er landet im Kreis Starnberg, wo er mit anderen Asylbewerbern aus verschiedensten Ländern in einer speziellen Unterkunft untergebracht wird. Immerhin ein Stück mehr Sicherheit. Der Mensch stellt Antrag auf Asyl, doch das entsprechende Verfahren dauert Monate, wenn nicht Jahre. Im besten Fall wird er anerkannt. Doch damit steht er vor einem neuen Problem: Er muss sich nun eine eigenen Wohnung suchen. Im Landkreis Starnberg kaum möglich, denn bezahlbarer Wohnraum ist praktisch nicht vorhanden.

Nahezu alle anerkannten Flüchtlinge im Kreis leben deshalb noch immer in den in den regulären Asylbewerber-Unterkünften. Im Landratsamt ist die Rede von etwa 130 "Fehlbelegern" - ein Begriff, den die Bürokratie für Menschen ersonnen hat, die durch ihren positiven Bescheid den Anspruch auf Unterbringung in einer gestellten Unterkunft verloren haben und nun aufgefordert werden, sich eine eigene Wohnung zu suchen, die sie selbst bezahlen müssen. Zumindest theoretisch. Denn dafür müssten sie erst einmal einen Job finden, mit dem sie dies überhaupt finanzieren können. "Das ist schon schwierig genug", befürchtet beispielsweise der Sprecher des Landratsamts, Stefan Diebl. Zudem ist bezahlbarer Wohnraum im Kreis ohnehin knapp - wenngleich der Verband Wohnen hier immense Anstrengungen unternimmt. Insgesamt sechs Bauvorhaben sind in Planung: So sollen in Krailling zwei neue Wohnanlagen und jeweils eine in Tutzing, Oberalting, Weßling und Inning entstehen. Von etwa 200 Wohnungen spricht der Geschäftsführer des Verbands Wohnen, Michael Vossen, die auf diesem Wege bis 2020 finanziell schlechter gestellten Menschen zur Verfügung stehen könnten.

"Im Vergleich: Früher hatten wir immer nur ein bis zwei solcher Vorhaben parallel", sagt Vossen, hinter dessen Arbeitgeber sich nahezu alle Gemeinden des Kreises verbergen. Derzeit stehen dem Verband etwa 24oo Mietwohnungen in 302 Häusern zur Verfügung. Die Fluktuation ist jedoch gering. Vossen spricht von etwa 150 Wohnungen, die durchschnittlich pro Jahr wieder frei werden. Zu wenig, um den wachsenden Bedarf zu decken - sowohl für anerkannte Flüchtlinge als auch für die einheimischen Anwärter auf Sozialwohnungen. Der Gesetzgeber unterscheidet in seinen Sozialleistungen ebenso wenig wie der Verband Wohnen, betont Vossen. Und so werden auch die neuen Wohnungen, die in den kommenden vier Jahren entstehen, weiterhin allen Anwärtern auf günstigen Wohnraum zur Verfügung stehen - auch wenn es letztlich der zu erwartenden Zahl der anerkannten Flüchtlinge zu verdanken ist, dass das soziale Wohnbauprogramm im Kreis ausgeweitet wird.

Bergs Bürgermeister Rupert Monn hatte einen entsprechenden Antrag im November des vergangenen Jahres im Verbandsausschuss gestellt: "Wir wissen alle, vor welch großen Herausforderungen wir stehen", hatte er damals gesagt. Zwar hat die Zahl der Asylbewerber, die dem Kreis pro Woche zugeteilt werden, in der Zwischenzeit abgenommen. Der Druck auf den sozialen Wohnungsmarkt wird sich dennoch nicht verringern: Mit der Zeit wird zum einen die Zahl der anerkannten Flüchtlinge auf Wohnungssuche aller Voraussicht nach wachsen, zum anderen wird die Menge der finanziell schlechter gestellten Menschen im Kreis nicht weniger werden. Die Zeit drängt also, einigermaßen bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.

Dabei ist der Verband Wohnen auf die Mithilfe der Gemeinden angewiesen: Denn sie sind es, die Grundstücke zu günstigen Konditionen zur Verfügung stellen müssen. Angesichts der Flächenknappheit ebenfalls ein schwieriges Unterfangen: "Von Privatleuten können wir da keine Unterstützung erwarten. Sie wollen ihre Grundstücke zu marktüblichen Preisen verkaufen", sagt Vossen. Weil das Preisgefüge im Kreis enorm hoch ist, könne damit kein günstiger Wohnraum geschaffen werden. Vossen: "Es läuft darauf hinaus, dass wir gemeindeeigene Grundstücke zur Verfügung gestellt bekommen." Wie zum Beispiel in Inning. Dort ist ein neuer Bauhof am Ortsrand entstanden. Das Grundstück, auf dem der bisherige, baufällig gewordene Bauhof im Zentrum untergebracht war, sollte eigentlich verkauft werden, um den Neubau zu finanzieren. Darauf hat die Gemeinde verzichtet und das Areal dem Verband Wohnen überlassen. Doch noch steht man hier mit den Planungen komplett am Anfang. Bis hier Wohnungen bezogen werden können, werden noch Jahre vergehen.

Übergangslösungen gibt es im Kreis dennoch: So hat beispielsweise die Stadt Starnberg in der Asylbewerberunterkunft in der Petersbrunner Straße 24 der insgesamt 96 Plätze dort vom Landratsamt gemietet - für anerkannte Flüchtling und Obdachlose. Ein Vorbild, dem nun andere Kommunen folgen wollen. Laut Landratsamtsprecher Diebl haben bereits Krailling, Seefeld und Herrsching ebenfalls Interesse an diesem Modell bekundet.

© SZ vom 27.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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