Wohnen:Schlicht, schön und günstig

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Im Fünfseenland sind Immobilien meist unerschwinglich, auch die hohen Mieten können sich viele nicht mehr leisten. Abhilfe tut not. Experten sind sich einig: Nur ein Mix aus Zweckverbänden, Genossenschaften, Baugemeinschaften und Einheimischenmodellen ist zukunftsfähig

Von Otto Fritscher, Starnberg

Das Warten auf Einheimischen-Modelle oder das Abgrasen des Immobilienmarkts nach einem vermeintlichen Schnäppchen, der Besuch bei einem der vielen Makler im Fünfseenland - viel mehr bleibt einem bei der Suche nach bezahlbarem Wohnraum oft nicht übrig. Bisher. Die Bürger müssen das Bauen künftig selbst in die Hand nehmen, sich zu einer sogenannten Baugemeinschaft zusammentun und an jeglichem Bauträger und Investor vorbei ihr künftiges Haus oder ihre künftige Wohnung selbst als Bauherr planen, finanzieren und errichten lassen. "Baugemeinschaften sind bei uns noch viel zu wenig bekannt, nur in der Stadt München werden sie schon oft auf Konversionsflächen, also vor allem auf ehemaligem Kasernengelände, verwirklichlicht", sagt Andreas Höck.

Der Tutzinger Architekt kann auch schon auf ein handfestes Beispiel verweisen: die sogenannte Obstbaumwiese in Tutzing, neben dem Tutzinger Keller gelegen. Dort haben sich 2013 zwölf Bürger zusammengetan, und für 1,8 Millionen Euro zwölf Wohnungen mit einer Größe zwischen 64 und 140 Quadratmetern geplant, gebaut - und selbst bezogen. "Dieser ganze Prozess im Vorfeld fördert das Nachbarschaftsgefühl", erklärte Andreas Höck bei einer Veranstaltung der Gesellschaft für Wirtschafts- und Tourismusförderung (Gwt) im Feldafinger Bürgersaal. Zudem habe das Projekt Obstbaumwiese "rund ein Drittel weniger" gekostet, als wenn es von einem Bauträger realisiert worden wäre. "Wir wollten ja keinen Gewinn erzielen, sondern nur nachhaltig und günstig bauen", sagt Höck. Das Schwierigste sei es gewesen, das Grundstück zu bekommen.

"Schön, schlicht und günstig - wie geht das? Auf der Suche nach Praxisbeispielen für bezahlbaren Wohnraum" lautete das Motto für die Rundfahrt zu Beispielen in Berg, Weilheim und Tutzing, zu der Konversionsmanagerin Katharina Winter eingeladen hatte. Sie ist in erster Linie für die Umwandlung des Areals der Feldafinger IT-Schule der Bundeswehr für eine zivile Nutzung zuständig. "Klar ist ja, dass wir dort nicht nur Forschungseinrichtungen und Gewerbe ansiedeln wollen, sondern für die dort Beschäftigten auch Wohnraum bauen müssen", stellte Feldafings Bürgermeister Bernhard Sontheim klar.

Auf der Obstbaumwiese in Tutzing sind Wohnungen entstanden, die von den Eigentümern in Form einer Baugemeinschaft geplant, finanziert und errichtet worden sind. Ein Modell, das im Landkreis bislang sehr selten ist. In Wörthsee formiert sich gerade eine entsprechende Gemeinschaft. (Foto: Nila Thiel)

Natürlich sind Baugemeinschaften dafür kein Allheilmittel, um jedermann zu bezahlbarem Wohnraum zu verhelfen. Denn auch für solche Modelle ist eine gewisse Finanzkraft nötig. "Es geht um die viel zitierten Normalverdiener", stellte Winter klar. Also um Familien mit Kindern, Doppelverdiener, Angestellte. Für viele dieser Einkommensgruppen ist auch eine Baugemeinschaft unerschwinglich.

In der Gründungsphase befindet sich zurzeit eine Baugemeinschaft womöglich in Wörthsee. "Wir sind aber noch nicht so weit, wie das bei dieser Veranstaltung dargestellt worden ist", sagt Anna Fisser; auf ihrem Namensschild steht "IG Wohnungsbaugenossenschaft Wörthsee". "Uns gibt es aber noch nicht", sagt sie, erst am 13. Juli solle eine Informationsveranstaltung in Wörthsee stattfinden. Klar ist aber schon, dass sich etwa zwei Dutzend Menschen für die Bebauung eines Grundstücks in Wörthsee zusammentun wollen - wahrscheinlich als Baugemeinschaft. Auch sie wollen schon gemeinsam planen, was laut Architekt Andreas Höck oft zu einem besseren nachbarschaftlichen Miteinander führt, als wenn eine bunt gewürfelte und zufällige Schar sich in einer Anlage oder eine Gebäude Eigentumswohnungen kauft. Da ist oft Streit vorprogrammiert.

Ihr Ziel ist bezahlbarer Wohnraum, aber es sind - um das klar zu sagen - keine sogenannten Sozialwohnungen geplant. Dafür ist im Landkreis vor allem der Verband Wohnen zuständig, dem der Landkreis und die Kommunen angehören, sowie die Genossenschaften, die es etwa in Starnberg und Gilching gibt. Es sind hier alteingesessene Institutionen, im Gegensatz zu "Maro Genossenschaft für selbstbestimmtes und nachbarschaftliches Wohnen eG", die 2012 im Oberland, in Ohlstadt, gegründet wurde, und in Weilheim mit dem "Paradeisgarten" bereits über eine Art Vorzeigeobjekt verfügt. 13 barrierefreie Wohnungen im Niedrigenergie-Standard wurden gebaut. Auch Demenzkranke weist die Maro nicht ab. Sie bringt, wie der Besuch in Weilheim zeigt, frischen Wind in die Genossenschaftsszene.

Die eingeführten Wohnbaugenossenschaften sind aber im Fünfseenland als Bestandshalter von mehreren tausend Wohnungen unverzichtbar, gerade bei Mieten deutlich unter zehn Euro pro Quadratmeter. Und auch sie haben Projekte wie etwa am Himbselweg in Starnberg, wo 40 seniorengerechte Wohnungen samt Gemeinschaftsräumen entstehen und Mitte 2019 bezugsfertig sein sollen.

Der Zweckverband Wohnen hat mit dem ebenfalls bei der Bus-Rundtour besichtigtem "Wohnzentrum Etztal" in Berg "Betreutes Wohnen" im Angebot. Es gibt eine ambulante Pflege im Haus, bei Bedarf werden auch Dienstleistungen wie ein Wäsche- und Putzservice angeboten, kostenpflichtig natürlich. Etwa zehn solcher Objekte hat der Zweckverband in diversen Gemeinden des Landkreises. Das jüngste entsteht gerade an der Margaretenstraße in Krailling mit rund 20 Wohnungen, insgesamt hat der Verband nach Auskunft seines Geschäftsführers Michael Vossen rund 250 seniorengerechte Wohnungen. "Solche Wohnungen stehen nie lange leer", erklärt er. Auch in der Wohnanlage Etztal gibt es geförderte, aber auch frei finanzierte Wohnungen, deren Mieten sich unterscheiden. Die Miete für geförderte Wohnungen für Menschen mit geringem Einkommen oder niedriger Rente beträgt zwischen fünf und sieben Euro, für frei finanzierte verlangt der Verband mindestens 8,50 Euro.

Im Gespräch: Konversionsmanagerin Katharina Winter und Feldafings Bürgermeister Bernhard Sontheim. (Foto: Nila Thiel)

"Nur mit einem Mix aus diesen Akteuren - Genossenschaften, Zweckverbänden und Baugemeinschaften - ist eine Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum überhaupt möglich", sagt Katharina Winter. Und auch von den Gemeinden angestoßene Einheimischenmodelle haben Zukunft, ist Feldafings Gemeindechef Sontheim überzeugt. Auch bei der Vergabe der Grundstücke an Baugemeinschaften haben die Kommunen bei der Ausschreibung ein gehöriges Wörtchen mitzureden. "Klar ist, dass die Gemeinden sich davon verabschieden müssen, Grundstücke immer an den Meistbietenden zu verkaufen.

Eine einfache Lösung schlägt indes Günter Schorn, Kreisvorsitzender des Bundes Naturschutz, vor: "Es geht nicht darum, nichts mehr zu bauen. Aber an den Ortsrädern und im Außenbereich darf nicht mehr gebaut werden. Es gibt so viele Möglichkeiten innerorts zu bauen, stärker und höher, als dies bislang der Fall ist, vor allem in Gilching und Starnberg", sagt Schorn am Rande der Veranstaltung. In diesem Sinne müssten "die Gemeinden auf die Grundstücksbesitzer einwirken". Eine Ansicht, die durchaus auf Widerspruch stoßen dürfte.

Der stellvertretende Landrat Georg Scheitz indes sieht nur in einer gewissen Flexibilität eine tragfähige Lösung: "Wir müssen für alles offen sein, damit wir unsere Leute im Landkreis versorgen können."

© SZ vom 06.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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