Berufswelt:Fit bleiben im Büro

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Yoga im Büro: Die Belegschaft der Firma Blueants von Matthias Vilsmayer hält sich mit Sport und gesunder Ernährung fit. Diesen Kurs leitet Luisa Elsesser. (Foto: Blueants)

Mehr denn je kümmern sich Unternehmer auch um das seelische Wohlbefinden ihrer Mitarbeiter. Das wird beim Wirtschaftspreis des Landkreises deutlich, der diesmal das Thema Gesundheit in den Fokus rückt.

Von Michael Berzl, Starnberg

Sonntagabend, das Telefon klingelt. Ein Lehrling ruft an, es geht ihm schlecht, er redet von Selbstmord. Für Leopold Göring war sofort klar, dass er jetzt für seinen Auszubildenden da sein muss: "Einfach zuhören, da bin ich auch einmal Vaterersatz. Die Zeit nehme ich mir gerne." Der Starnberger Zimmerermeister Göring war der Chef des jungen Mannes und zugleich offenbar eine wichtige Vertrauensperson. Der Vorfall liegt schon eine Weile zurück, der junge Mann hat sich gefangen, ist in die Nähe seiner Eltern gezogen und hat einen neuen Arbeitsplatz. Es ist ein Extrembeispiel, wie Fürsorge eines Arbeitgebers auch aussehen kann.

Mit seinem Betrieb gehört Innungsobermeister Göring nun zu den elf Finalisten beim Wirtschaftspreis des Landkreises, der diesmal das Thema Gesundheit in den Fokus rückt. Dabei geht es nicht nur um das physische, sondern ausdrücklich auch um das psychische Wohlbefinden. Eine Jury hat sich Anfang Oktober jeweils eine Stunde lang die Betriebe angesehen, die es in die Endrunde geschafft haben. Neben der Zimmerei zählen zu den Finalisten die Firmen Blueants in Gilching, Enyore in Krailling, Meister Consulting in Tutzing und der Medizinvertrieb Diashop in Unterbrunn.

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"Das sind für mich die drei spannendsten Tage im Jahr", sagt Thomas Vogl, Vorstandsvorsitzender der VR-Bank Starnberg-Herrsching-Landsberg, und seit vielen Jahren Mitglied der insgesamt neunköpfigen Jury. Der Wirtschaftspreis wird inzwischen schon seit 15 Jahren verliehen, jedes Jahr unter einem anderen Motto. Themen früherer Jahre waren etwa Frauenförderung, Ausbildung oder Ökologie. Dass jetzt beim Thema Gesundheit der psychische Aspekt so sehr in den Fokus rückt, ist kein Zufall. "Höhenverstellbare Schreibtische haben ohnehin schon alle, und die Obstschale auf dem Tisch ist auch obligatorisch", sagt Annette von Nordeck, die bei der Gesellschaft für Wirtschafts- und Tourismusentwicklung im Landkreis (GWT) für die Preisverleihung zuständig ist. Jetzt seien eben Dinge wie Notfalltelefone im Gespräch, erklärt Jury-Mitglied Vogl. Und das Miteinander wird auch in einer ganz traditionellen Branche wie einer Zimmerei besonders gepflegt.

GWT-Mitarbeiterin Annette von Nordeck und Bankchef Thomas Vogl gehören der Jury beim Wirtschaftspreis des Landkreises Starnberg an. (Foto: Arlet Ulfers)

Der 43-jährige Zimmerermeister Göring ist nicht nur Firmenchef, sondern auch zweifacher Familienvater. Er hat den Eindruck, dass einige junge Leute, die gerade ins Berufsleben starten, auch durch die Corona-Krise unter besonderer psychischer Belastung stehen und daher besondere Zuwendung brauchen. Das Miteinander habe in der Starnberger Zimmerei mit zehn Beschäftigten einen hohen Stellenwert, regelmäßig gebe es Team-Meetings. Da kann es auch mal darum gehen, dass ein Mitarbeiter Wert darauf legt, dass er nicht mehr mit seinem Spitznamen, sondern seinem richtigen Vornamen angesprochen wird.

Auch solche Themen haben bei der Bewerbung für den Wirtschaftspreis eine Rolle gespielt. Außerdem gibt es in der Zimmerei eine betriebliche Krankenversicherung, die etwa die Kosten für einen Chiropraktiker oder Osteopathen übernimmt, welche die Krankenkasse nicht bezahlen würde. Göring überlegt zudem, wieder eine Feldenkrais-Gruppe anzubieten. Sein Betrieb produziert unter anderem komplette Holzhäuser und Dachstühle, Carports, Wintergärten und Balkone.

"Einfach zuhören": Zimmerermeister Leopold Göring aus Starnberg ist für seine Beschäftigten auch da, wenn sie in seelische Nöte geraten. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Ganz andere Branche, ähnliche Themen: Meister Consulting in Tutzing ist spezialisiert auf Personalentwicklung im Bereich Mode, Sport und Lifestyle. Hier wird nicht mit dicken Holzbalken und lauten Kreissägen gearbeitet, hier geht es gediegener zu: Das Büro ist ausstaffiert mit Design-Möbeln, zu trinken gibt es Detox-Wasser. Aber auch für den 55-jährigen Firmengründer Bernd Meister stehen mentale Stärke und psychische Verfassung seiner Mitarbeiter im Mittelpunkt. "Wertschätzung" lautet für ihn das Zauberwort. Für ihn stellt sich die Frage, was er tun kann, damit seine Leute belastbar bleiben und Freude an ihrem Job haben. Er berichtet von Erhebungen einer Krankenkasse, wonach die psychischen Erkrankungen deutlich zugenommen hätten. Das gilt es zu verhindern. Der Headhunter, Karrierecoach und Familienvater ist überzeugt: "Wenn die Leute in ihrem Job happy sind, dann werden sie weniger krank". Das ist sein Credo in Bezug auf Gesundheitsvorsorge.

"Nur gesunde Mitarbeiter bringen Höchstleistungen", weiß Bernd Schöpplein, Geschäftsführer der IT-Firma Enyore in Krailling (Foto: Enyore)

Genauso sieht das auch Bernd Schöpplein, der 49-jährige Geschäftsführer des Kraillinger IT-Spezialisten Enyore: "Nur gesunde und zufriedene Mitarbeiter bringen Höchstleistungen und sich selbst sowie das gesamte Team zum Fliegen." So drückte er das jedenfalls in seiner Präsentation vor der Preisjury aus.

Die Firma hat nach eigenen Angaben vor allem Klienten im Mittelstand, dazu zählt neben dem Flughafen München und einer Bank etwa Display Visions in Gilching. Die Enyore GmbH bietet die Informationstechnik auch im Leasing an, der Firmengründer aus Gauting vergleicht das mit einem "Maßanzug". Mit derzeit lediglich sieben Beschäftigten ist das Unternehmen vergleichsweise klein. Schöpplein will seinen Leuten die Arbeit im Homeoffice möglichst angenehm machen, kümmert sich auch einmal um eine ergonomische Ausstattung oder einen Co-Working-Space.

In einem Lokal in München gibt es regelmäßig einen Firmenstammtisch, um trotz Homeoffice die sozialen Kontakte unter Kollegen zu pflegen. Und für den Fall, dass es im privaten Bereich einmal besonders schwierig wird, hat Enyore eine externe Vertrauensperson angeheuert. Tatsächlich unterstützt diese Ansprechpartnerin gerade einen Beschäftigten, der wegen einer schweren Erkrankung eines Familienangehörigen um mentale Unterstützung gebeten hat.

Beim Unternehmertag im September in Essen wurde Schöpplein als "Arbeitgeber der Zukunft" ausgezeichnet. Und nun freut er sich, dass er beim Starnberger Wirtschaftspreis im Finale steht.

Die Blueants-Belegschaft trifft sich zur abendlichen Joggingrunde

Mit Sport und gesunder Ernährung hält sich die 30-köpfige Belegschaft der Telekommunikationsfirma Blueants von Matthias Vilsmayer in Gilching fit. Da lernen die Mitarbeiter, wie sie sich eine Saftkur selbst zubereiten, kochen gemeinsam mit Lieferanten, im Büro steht ein Obst und Gemüsekorb zur Selbstbedienung. Da trifft man sich zu abendlichen Jogging- und Walkingrunden und nimmt als Betriebsteam am Landkreislauf und beim Stadtradeln teil.

Teamevents sind oft auch sportliche Aktivitäten, eine Radltour vom Staffelsee zum Gardasee etwa. Außerdem wird Yoga im Büro angeboten. Mitarbeiter erhalten einen Zuschuss für eine Bildschirmbrille und können sich ein Job-Fahrrad im Wert von 3000 Euro aussuchen. Blueants bietet ein Portal zur Verwaltung und Pflege von Mobilfunk-, Festnetz- und Datenleitungs-Verträgen an und ist seit mehr als 20 Jahren vor allem für den Mittelstand tätig.

Das Thema Gesundheit gehört bei der Firma Diashop, die erst vor zwei Jahren von Germering zum Flughafengelände in Oberpfaffenhofen umgezogen ist, schon zum Metier. Es ist der zweitgrößte Fach- und Versandhändler für Diabetesbedarf in Deutschland und versorgt nach eigenen Angaben seit mehr als 20 Jahren Patienten mit dem täglichen Bedarf an Hilfsmitteln; mehr als 3000 Produkte sind im Angebot.

Täglich verlassen mehrere Hundert Pakete mit Diabetes-Hilfsmitteln das Diashop-Lager am Gelände des Flughafens Oberpfaffenhofen. (Foto: Diashop GmbH)

Das Unternehmen mit knapp 90 Mitarbeitern am Standort an der Galileostraße hat einige Umbrüche hinter sich. Außer dem Umzug in einen Neubau gibt es auch einen neuen Eigentümer und einen neuen Chef. Diashop gehört mittlerweile zur Asker Healthcare Group in Schweden, Geschäftsführer ist seit Oktober Boris Weber. Im nächsten Jahr soll das Sortiment erweitert werden. Zum Kerngebiet Diabetes kommen dann beispielsweise noch Produkte zur Wundversorgung und für Inkontinenzpatienten. "Insgesamt ist das Ziel zu wachsen", kündigt Weber an.

Am neuen Standort gebe es Erweiterungsmöglichkeiten. Beim Umzug sei darauf geachtet worden, die Bedingungen für die Beschäftigten zu verbessern. Dazu zählen ergonomische Stühle, eine eigene Betriebsarztberatung und eine Kantine, in der es auch vegane und vegetarische Mahlzeiten gibt. Das Logistikzentrum sei so konzipiert worden, dass die Mitarbeiter nicht schwer heben müssen.

Weitere Finalisten sind die Suchtberatungsstelle Condrobs in Starnberg, das Kommunalunternehmen Awista, das die Abfallwirtschaft im Landkreis Starnberg organisiert, die Gemeinde Gilching, die Klima- und Kältetechnikexperten von Trane, der Logistik-Spezialist WSW Software sowie die Asklepios-Klinik in Gauting und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt ( DLR). Bei einer Feier im Starnberger Landratsamt mit geladenen Gästen werden am Donnerstag, 23. November, die Sieger gekürt und die Preise verliehen.

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