Wirtschaft:Mangelware Azubi

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Handwerksbetriebe im Landkreis suchen händeringend nach Lehrlingen. Der Pöckinger Metzger Oliver Lutz bildet jetzt Japaner aus.

Von Tabea Braun, Starnberg

Obwohl Oliver Lutz seinen Metzgerbetrieb in Pöcking auf Jobbörsen und in Schulen vorstellt, Flyer verteilt und Praktika anbietet, hat er Probleme, seine Lehrstellen zu besetzten: Aus der Region kommen schlicht keine Bewerbungen, sagte er am Mittwoch am Rande des Handwerkerempfangs in der Schlossberghalle. Beliebt sind seine Ausbildungsplätze dagegen bei Japanern. Sechs hat Lutz bereits ausgebildet, ein weiterer beginnt im September. Schwierigkeiten bei der Suche nach Lehrlingen hat nicht nur sein Betrieb. Im gesamten Landkreis sind die Auszubildendenzahlen rückläufig, weiß Kreishandwerksmeister Anton Lidl.

Franz Xaver Peteranderl, Präsident der Handwerkskammer für München und Oberbayern, stimmen die unbesetzten Lehrstellen traurig. Die Umsätze der Handwerksbetriebe seien zwar hoch, doch könnten sie ohne den Fachkräftemangel noch höher ausfallen, sagte er am Mittwoch. Im Kreis Starnberg beliefen sich die Umsätze 2016 laut Lidl auf 851 Millionen Euro, das seien drei Prozent mehr als im Vorjahr. Doch müsste das Handwerk für junge Leute wieder attraktiver gestaltet werden, ist er sich mit Peteranderl einig.

Wilhelm Boneberger, Obermeister der Bäckerei-Innung mit Betrieb in Gilching, führt den Mangel an Lehrlingen in seiner Branche auf die Nachtarbeit zurück. Eigentlich hätte er drei Lehrstellen zu besetzten. Eine seiner letzten Auszubildenden sei bereits wenige Monate nach Ausbildungsbeginn abgesprungen, es war wohl nicht das richtige für sie, obwohl sie doch schon extra im Vorfeld ein Praktikum im Betrieb absolviert hatte. Ein anderer wechselte auf Grund eines Umzugs. Neben dem großen Problem, genügend Interessierte zu finden, macht sich Boneberger Sorgen um die Qualifikationen der Bewerber. "Sie müssen ausrechnen können, wie viel Wasser auf ein Kilogramm Mehl kommt", stellt er klar. Doch fehle es oft schon an Kenntnissen der Grundrechenarten und vor allem des Prozentrechnens. Mehr Gymnasiasten und Realschüler im Handwerk wünscht sich Peteranderl. Er sieht einen "Irrationalen Trend zur Akademisierung". Es müsste verstärkt um junge Leute mit höherem Schulabschluss geworben werden, da sie oftmals für Führungspositionen in Frage kämen. So startete die Kammer bereits eine Imagekampagne, die den Meistertitel wieder attraktiver machen soll.

Franz Enzensberger, langjähriger Mitarbeiter der Metzgerei Lutz, sieht das Problem bei den Eltern: Sie wollen, dass ihr Nachwuchs studiert und das, obwohl auch ein Handwerksberuf gute Berufsaussichten biete. "Es gibt mehr arbeitslose Akademiker als Handwerker", argumentiert er. Positiv sieht er Veränderungen, die mit Oliver Lutzs Übernahme des Metzgerbetriebs von seinem Vater einher gingen. Die japanischen Auszubildenden seien sehr interessiert an der deutschen Wurst, erklärt auch Lutz begeistert, der selbst zwei Jahre in Japan verbrachte und daher Japanisch spricht. Das erleichtert die Kommunikation, trotzdem müssen die Lehrlinge deutsch lernen. Nach der Ausbildung gehen sie zurück nach Japan. Das sei von vorn herein klar und auch kein Problem für ihn. Ganz im Gegenteil: Lutz freut es, wenn so ein Teil der deutschen Kultur in das asiatische Land transportiert wird.

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(Foto: Arlet Ulfers)

Stefan Fersch,...

...Willi Boneberger,...

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(Foto: Arlet Ulfers)

...Franz Enzensberger...

...und Leopold Göring haben alle ihre Erfahrungen mit Lehrlingen.

Andere Handwerker wünschen sich dagegen, dass ihre Lehrlinge nach abgeschlossener Ausbildung im Betrieb bleiben. Leopold Göring, Zimmerermeister, erfährt immer wieder, dass ehemalige Azubis sich weiterbilden oder andere Betriebe kennenlernen wollen. Dass er seine drei Lehrstellen überhaupt besetzen konnte, verdankte er einem Lehrling, der andere mitzog. Bewerbungen erhält auch er nur wenige. In Starnberg sei es sehr schwer, von einem Gesellenlohn zu leben, bedauert er. Lidl geht sogar noch weiter: Einheimische müssten abwandern, da der Wohnraum so teuer ist. Dem Fachkräftemangel versuchte Göring mit der Ausbildung eines Flüchtlings, der bereits ein Berufsgrundschuljahr absolviert hatte, entgegenzuwirken. Doch brach der Ukrainer ab und wurde in der Zwischenzeit bereits abgeschoben. In der Bäckerei Boneberger machte ein Eritreer ein Praktikum. Hier stellten vor allem Kommunikationsprobleme und die verschiedenen Arbeitsmentalitäten ein Problem dar.

Doch gibt es durchaus auch Handwerker, die genug Bewerbungen erhalten. Für eine Lehrstelle bei Stefan Fersch, ebenfalls Zimmerer, warten Interessierte im Schnitt ein bis zwei Jahre. Zwar kämpft auch er mit mangelndem Schulwissen, und es verlassen immer wieder Lehrlinge nach der Ausbildung das Unternehmen, doch kann er ungefähr 80 Prozent halten. Ganz erklären kann er sich den Erfolg auch nicht, vielleicht liege es am Betriebsklima, dem Team oder dem modernen Betrieb. Besonders werben müsse er nicht, Azubis erzählen ihre guten Erfahrungen wohl weiter, vermutet er.

© SZ vom 02.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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