Wirtschaft:Es läuft und läuft und läuft

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Den Betrieben in der Region Starnberg geht es prächtig. Dies zeigt eine Umfrage bei Firmen der Metall- und Elektrobranche. Doch die Unternehmer sind unzufrieden mit den Arbeitszeitregelungen und fordern mehr Flexibilität

Von Otto Fritscher, Starnberg

Es sind schon Schwergewichte, Firmen wie der Automobilzulieferer Webasto aus Stockdorf oder der AOA Apparatebau Gauting, der zwar seit drei Jahren im Gilchinger Gewerbegebiet beheimatet ist und dort Wasser- und Abwassersysteme für nahezu alle Flugzeughersteller von Boeing über Airbus bis Bombardier herstellt. Sie sind Vorzeigebetriebe der Metall- und Elektrobranche, und so ist es auch kein Wunder, wenn Dieter Faust als Sprecher jener Branchen im "Verband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie vbm", Bezirk Oberland", fungiert. Fausts normaler Job ist die Geschäftsführung eben jenes Apparatebaus; aber einmal im Jahr, immer Anfang August, präsentiert der vbm die Ergebnisse der Konjunkturumfrage. Und diese passen bestens zum blendenden Sommerwetter.

Es läuft gut, sogar immer besser, und das seit einigen Jahren, so das Fazit. Die Auftragsbücher sind voll, die Erwartungen an das etwas flaue Inlandsgeschäft haben sich sind gestiegen, im Export läuft es weiterhin blendend, und der Beschäftigungsaufbau wird sich laut Faust fortsetzen. Ein Zahlenbeispiel: 78 Prozent der Betriebe beurteilen das aktuelle Inlandsgeschäft als gut, vor einem Jahr waren es nur 59,3 Prozent. 20 Prozent sind mit ihrer gegenwärtigen Situation zufrieden, und nur zwei Prozent zeigen sich unzufrieden.

Was für die M+E-Branche im Oberland mit ihren rund 17 000 Beschäftigten gilt, kann Faust für seinen Betrieb, einen wichtigen Arbeitgeber im Landkreis, bestätigen: "Wir peilen auch 2017 mit rund 125 Millionen Euro wieder einen Umsatzrekord an." Der Systemlieferant für Wasser- und Abwassersysteme im Flugzeug, so die Selbstbeschreibung von AOA Apparatebau, werde aber auch 2018 wieder einen Rekordumsatz melden können, "wenn die politischen Verhältnisse uns nicht einen Strich durch die Rechnung machen", so Faust, womit er die Unberechenbarkeit des US-Präsidenten Donald Trump und den infolge erstarkenden Dollarkurs meint. "In den vergangenen zehn Tagen waren es fünf Cent, die ein Dollar mehr kostet, und in der Luftfahrtbranche wird auch bei Geschäften innerhalb Deutschlands in Dollar abgerechnet", erklärte er. AOA beschäftigt rund 550 Mitarbeiter an zwei Standorten in Gilching und Dresden. Webasto bringt es auf rund 1900 Mitarbeiter an den Standorten Stockdorf, Gilching und Utting. Natürlich gibt es aus Sicht der Manager auch Wolken, die die sommerleichte Stimmung trüben: Da wäre der Fachkräftemangel, und die gültigen Arbeitszeitregelungen, die Faust und andere Geschäftsführer als gravierenden Hemmschuh betrachten. "Diese Regelungen stammen aus den 1970er und 1980er Jahren und passen nicht mehr in das heutige Wirtschaftsleben, geschweige denn in das von morgen", sagte Faust. Mobile Endgeräte, Internet, Digitalisierung der Produktionsabläufe und das Arbeiten über Länder- und Zeitgrenzen hinweg sowie immer individuellere Kundenwünsche erforderten eine Abkehr von der Regel, dass nach Feierabend mindestens elf Stunden Pause sein müssten. "Wenn dann jemand am Abend schnell mal eine E-Mail schreibt, beginnt die Frist eigentlich wieder von vorne zu laufen", erklärte Faust. Aber immer mehr Arbeitnehmer wollten von unterwegs oder im Home Office arbeiten. Eines ist Faust dabei wichtig: "Es geht nicht um die Erhöhung des Arbeitszeit, sondern um die Möglichkeit, diese flexibler zu verteilen." Ein Wunsch, den laut Faust nicht nur die Chefs haben, sondern mindestens gleichermaßen die Beschäftigten. Die Begrenzung der täglichen Arbeitszeit auf zehn Stunden müsse zugunsten einer wochenbezogenen Betrachtung von 48 Stunden geändert werden. "Soll ich mitten in einem Kundengespräch aufstehen, oder meine Ingenieure nach Hause schicken, wenn die gerade tüfteln und weiterarbeiten wollen?", fragte Faust. Aber er müsse dies tun, sagt er lächelnd.

Die prägnanteste Zusammenfassung lieferte Dietmar Ahl, Geschäftsführer des metallverarbeitenden Betriebs Bechtold in Weilheim: "Bei wem es derzeit nicht gut läuft, der macht einfach etwas falsch."

© SZ vom 02.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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