Wintersport am Starnberger See:Herrn Bittls Gespür für Schnee

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Mit Anfang 30 steigt Gerd Bittl-Fröhlich als Mitinhaber eines Münchner Sportfachhandels aus und gründet in Tutzing eine eigene Firma. In seiner Freizeit baut er ein ehrenamtliches ´Spurer-Team` zum Erhalt der Langlaufloipe im Ort auf.

Von Carolin Fries, Tutzing

Das Tuckern des Motors ist das einzige Geräusch draußen auf der Loipe, gleichmäßig begleitet es Gerd Bittl-Fröhlich durch den Abend, hinein in die Nacht. Der 53-Jährige sitzt auf dem ledernen Sitz des Motorschlittens, die rechte Hand am Gas, die linke an der Bremse, und gleitet mit durchschnittlich zehn Stundenkilometern über den Schnee. "Voll meditativ", hat der Tutzinger diesen Moment im Loipenblog beschrieben. "Und wenn hinten dann noch Zen Garten-mäßige Rillen im Rückspiegel erscheinen, ist das sicher gut für's Karma." Vor allem ist es gut für die Langläufer, die auf der insgesamt 11,2 Kilometer langen Runde nahezu täglich ideale Bedingungen vorfinden - weil Bittl-Fröhlich und sein ehrenamtliches Team hier bis tief in die Nacht Spurer-Yoga gemacht haben. "Fazit: Der herabschauende Hund funktioniert sehr gut."

Tatsächlich ist es so, dass Bittl-Fröhlich nicht einfach stur dahinfahren kann. An abfallenden Hängen muss er sein Gewicht verlagern, den Schlitten präzise lenken, andernfalls könnte die Schneekatze trotz ihrer gut 300 Kilogramm umkippen. Geht es bergab, beschleunigt er und versucht ebenfalls per Gewichtsverlagerung, den angehängten Loipenspurer möglichst hinter der Katze zu halten - die Kunststofftrommel wiegt 130 Kilogramm und kann in Verbindung mit den Fliehkräften ein kraftvolles Eigenleben entwickeln. Eineinhalb Stunden dauert eine Runde über landwirtschaftliche Flächen und den Golfplatz, insgesamt drei Runden müssen gefahren werden: zweimal die Skating-Spur, einmal zwei klassische Spuren daneben. Wenn alles glatt geht, dann ist Bittl-Fröhlich nach fünf Stunden wieder daheim bei seiner Familie. "Aber es kann immer etwas passieren, dann dauert es bis nachts um drei". Zum Beispiel, wenn man mit dem Gerät in eine unter der Schneedecke versteckte Wassergumpe einbricht.

Warum er sich das antut? Weil er 2014 angekündigt hat, sich um die Loipe zu kümmern, als die Familie Domaschk ihr Engagement einstellte. "Da steh' ich in der Verantwortung", sagt er. Unter dem Dach des TSV und mit Unterstützung von Spendengeldern hat er ein kleines Wintersportparadies nach Tutzing gezaubert. Bis zu 300 Menschen schnallen hier am Wochenende bei schönem Wetter die Skier an. Viele kommen aus München an die anspruchsvolle Strecke, die Tutzinger tragen ihre Skier zu Fuß zum Loipenstart die Straße hinauf. "Hier treibt sich viel Sportvolk herum", weiß Bittl-Fröhlich. Er nimmt die Sache ernst, bloggt und postet regelmäßig den Zustand der Strecke, mitunter direkt vom Motorschlitten. Der gewünschte Idealzustand: die perfekte Loipe.

Bittl-Fröhlich hat schon immer seine Ideen verfolgt, auch wenn andere ihn für verrückt hielten. Wie damals, als er 1999 das Familienunternehmen "Sport Bittl" mit vier Fachgeschäften in München verließ. "Ich hatte das Glück, über den Tellerrand rausspringen zu dürfen", sagt er nur. Bittl-Fröhlich will die Vergangenheit ruhen lassen. Er, der passionierte Skifahrer von einst, ist noch immer ein Sportler durch und durch. Groß und schlank. Er joggt, er boxt, er trainiert im Studio und auf der Loipe. Bittl-Fröhlich hat sich selbständig gemacht mit einer Firma, die Personal für Sportgeschäfte ausbildet. Neben der Arbeit kommt er auf fünf Stunden Bewegung in der Woche. Die ruhigen Fahrten auf dem Schlitten sind seine Auszeiten. Da ist nichts als Stille. Manchmal, draußen auf dem freien Feld, stellt er den Motor ab und das Licht aus - und richtet den Blick ehrfürchtig gen Sternenhimmel. Oder lässt zwei Langläufer, die im Stockdunkeln den Lichtpegeln ihrer Stirnlampen hinterherjagen, ungestört vorüberziehen.

Auf dem Motorschlitten zieht Gerd Bittl-Fröhlich den Loipenspurer über Wiesen, Felder und den Golfplatz in Tutzing, "Voll meditativ“, sagt er. (Foto: Georgine Treybal)

Hin und wieder fahren sie auch zu zweit - "auf dem Schlitten kann man super ratschen" - oder sie wechseln sich zwischen den Runden ab. Das Spurer-Team besteht aus knapp zehn Personen, darunter auch ein paar Frauen. An welchen Tagen die Schneekatze aus ihrem Versteck gefahren wird, bestimmt die Beschaffenheit des Schnees und die Wetterkarte. "Man denkt, der Schnee liegt da rum und gut", sagt Bittl. Nein, so einfach ist es nicht. Der Schnee habe viele Gesichter. Eins habe er schnell gelernt: "Je kälter, umso schwieriger", sagt Bittl-Fröhlich. Und: "Je kürzer das Gras darunter, umso besser." Er hat die Kapuze seines Anoraks über die Mütze gezogen und schaltet die Stirnlampe ein. Die Sonne ist untergegangen, jetzt muss er sich mithilfe von neonfarbenen Markierungen orientieren, damit das Gespann nicht im nächsten Sandbunker landet. Kalt ist es nicht, der Motor wärmt den Schlitten, die Griffe sind zusätzlich beheizt. Bittl-Fröhlich atmet tief durch. Die kommenden Tage wird er mit seiner Firma auf der ISPO sein, um die Loipe werden sich andere kümmern müssen. "Kein Problem. Wir sind ein gutes Team."

© SZ vom 05.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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