Werbung am Straßenrand:Rollende Reklame

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Immer mehr Firmen setzen auf Werbeanhänger, die am Straßenrand geparkt werden. In den Rathäusern ärgert man sich darüber, doch der Handlungsspielraum innerhalb geschlossener Ortschaften ist beschränkt

Von Peter Haacke, Starnberg

Anhänger und Fahrzeuge kommen immer mehr als Werbeträger in Mode: Getränkeshops, Baufirmen, Bestattungsunternehmer, Kaffeeröster, Textiliendiscounter, Immobilien- oder Teppichhändler setzen zunehmend auf ihren Fuhrpark als rollende Reklame im öffentlichen Straßenraum, zumal diese Form der Werbung mittelfristig erheblich kostengünstiger sein dürfte als das Anmieten klassischer stationärer Plakatwände. Kommunen und betroffenen Anliegern sind die mobilen Werbetafeln am Straßenrand jedoch zunehmend ein Dorn im Auge. Der Handlungsspielraum für die jeweiligen Ordnungsämter gegen den offensichtlichen Missbrauch von öffentlichem Parkraum ist aber beschränkt, solange der Gesetzgeber die Vorgaben nicht ändert.

Grundsätzlich muss bei der Thematik unterschieden werden, ob es sich um einen Anhänger oder ein selbst fahrendes Fahrzeug handelt und ob es sich um einen Standort innerhalb oder außerhalb geschlossener Ortschaften handelt. In Gewerbegebieten wie Rothenfeld, Inning und Gilching-Süd, an viel befahrenen Staatsstraßen, aber auch mitten in Ortschaften verkünden zumeist zweirädrige Anhänger, aber auch dreirädrige Piaggios ihre Botschaft. Getreu dem viel zitierten Henry-Ford-Motto "Wer nicht wirbt, der stirbt" preisen die Vehikel unterschiedlichste Angebote an: Lifestyle-Objekte, Sanierungen aller Art, Apartments, Kulturveranstaltungen, Schluss- und Sonderverkäufe. Wochenlang buhlte etwa ein Teppichhändler vorm Landschulheim Kempfenhausen um Kundschaft, in der Nähe des Schmalzhofs zwischen Starnberg und Pöcking steht gleich eine ganze Wagenburg. Verschärft wird die Situation oft genug durch Gewerbetreibende und Privatleute, die aufgrund fehlender eigener Abstellmöglichkeiten auch Spezialgerät, Sport-, Boots- und Wohnanhänger kostenfrei am Straßenrand abstellen und damit knappen Parkraum dauerhaft belegen.

Mobile Werbung am Wegesrand - hier beim Gilchinger Gewerbegebiet Süd - ist für Unternehmen eine kostengünstige Alternative zu klassischer Reklame. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Der Gemeinderat Andechs befasste sich unlängst mit dem leidigen Phänomen: Im Gewerbegebiet Rothenfeld "sieht man immer mehr so Anhänger", erklärte der Geschäftsleitende Beamte Maximilian Pänzinger. Doch dagegen könne man kaum was unternehmen. Gemäß Straßenverkehrsordnung (StVO) dürfen polizeilich zugelassene selbstfahrende Fahrzeuge auf öffentlichen kostenfreien Parkflächen innerorts bis zu zwei Jahre lang stehen - bis eben der TüV abgelaufen ist. Angemeldete Anhänger dagegen dürfen bis zu 14 Tage lang stehen bleiben. "Dann müssen sie nur einmal bewegt werden", sagt Pänzinger - und die Frist beginnt wieder von vorn.

Auch in Starnberg stolpert man immer wieder über abgestellte Anhänger, teilweise sogar in Wohngebieten. Für Augustin Ullmann, Leiter des Ordnungsamtes, nichts Neues. Doch auch ihm sind die Hände gebunden, seine Erklärungen klingen eher hilflos: "Wir können nur dagegen vorgehen, wenn es uns gemeldet wird", sagt Ullmann. Dann werde der Besitzer des Vehikels angeschrieben - oft genug aber mit bestenfalls mäßigem Erfolg. Denn das Verwarnungsgeld beträgt lediglich 20 Euro, das Abstellen eines Anhängers über zwei Wochen hinaus ist lediglich eine Ordnungswidrigkeit. Oder der Besitzer bewegt den Anhänger und stellt ihn einfach woanders ab. "Dann geht die ganze Gaudi wieder von vorn los", sagt Ullmann. Mitten in Berg parken derzeit gleich vier Werbanhänger - dort, wo die Straße von Aufkirchen in die Staatsstraße mündet. Pfiffig, der Platz ist vortrefflich geeignet für Werbeträger. Schließlich muss jeder Autofahrer anhalten, bevor er abbiegt. Das Thema kam in der Vorwoche im Berger Gemeinderat zur Sprache. Rathauschef Rupert Monn befand: "In meinen Augen ein untragbarer Zustand."

Für Kommunen und Anwohner stellt die Werbung oft ein Ärgernis dar. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

"Im Grunde genommen ist es ein Teufelskreis", weiß Bernd Schauer, Chef des Ordnungsamtes in Gilching. In das leidige Thema "Straßensondernutzung durch Werbung" bindet man nun verstärkt den Zweckverband Kommunale Verkehrssicherheit Oberland ein. In vielen Kommunen fragt man sich: "Was können wir tun?", weiß Thomas Preßler, Außendienstleiter des Kommunalen Zweckverband, und empfiehlt: "Wenn man es anders haben möchte, muss man anders beschildern." Denkbar wären temporäre Halteverbote, aber auch eindeutig gefasste Orts- oder Werbeanlagensatzungen könnten den Wildwuchs eindämmen - wobei die "Frage des Vollzugs" wieder auf einem anderen Blatt steht. Dem Landratsamt Starnberg sind diverse Gerichtsentscheidungen zu Werbeanlagen auf Anhängern bekannt, doch einheitliche Richtlinien existieren nicht. "Es wäre hilfreich, wenn der Gesetzgeber klare Regelungen erließe", sagt Behördensprecher Stefan Diebl.

Eindeutiger geregelt ist die Sachlage dagegen außerhalb geschlossener Ortschaften. Paragraf 33 der StVO besagt: "Verboten ist (. . . ) jede Werbung und Propaganda durch Bild, Schrift, Licht oder Ton, wenn dadurch am Verkehr Teilnehmende in einer den Verkehr gefährdenden oder erschwerenden Weise abgelenkt oder belästigt werden können. Auch durch innerörtliche Werbung und Propaganda darf der Verkehr außerhalb geschlossener Ortschaften nicht in solcher Weise gestört werden." Mutmaßliche Verstöße meldet in der Regel die Straßenmeisterei dem Staatlichen Bauamt, das informiert das Landratsamt. Hier fällt die Entscheidung, ob der Anhänger entfernt werden muss. In den letzten sechs Monaten wurden bis zu 30 Verstöße aktenkundig, derzeit befasst sich die zuständige Sachbearbeiterin mit 15 Fällen. Doch auch hier herrscht die Erkenntnis: "Es werden immer mehr", sagt Diebl.

Über die Ausführungsbestimmungen innerhalb von Ortschaften indes hat sich der Leiter des Gilchinger Ordnungsamtes schon Gedanken gemacht: Hilfreich könnte demnach eine Vorschrift sein, wenn die Anhänger nicht mehr ohne dazugehöriges Zugfahrzeug abgestellt werden dürften. Dann "hätten wir schon 80 Prozent weniger", sagt Schauer. Andernfalls entwickle sich der Trend zur rollenden Reklame im öffentlichen Straßenverkehrsraum zum "Fass ohne Boden".

© SZ vom 19.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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