Stockdorf:"Lebenserfahrung muss hart erarbeitet werden"

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Leonie Bornheimer, 26, ist bei Webasto im Prozessmanagement tätig. Während der "Social Week" war sie am Mehrgenerationencampus in Gauting. (Foto: Webasto Group)

Der Automobilzulieferer Webasto hat Freiwillige für einen Tag von der Arbeit freigestellt, damit diese sich sozial engagieren können - eine eher seltene Aktion in Bayern.

Interview von Ella Adam, Gauting

Die Mitarbeitenden des Automobilzulieferers Webasto aus Stockdorf kümmern sich normalerweise um Autodächer, Batterien oder Heiz- und Kühlsysteme. Im Rahmen der "Social Week" des Unternehmens ging es allerdings ums Vorlesen, Fußballspielen oder Unkrautjäten. Dabei kam es auf den Austausch von Erfahrungen und Kompetenzen an. Leonie Bornheimer, 26, hat teilgenommen.

SZ: Sie arbeiten bei Webasto im Prozessmanagement. Was kann man sich darunter vorstellen?

Leonie Bornheimer: Wir beschäftigen uns damit, wie wir Prozesse - also die Abläufe im Unternehmen - organisieren und verbessern können. Es geht darum, wie verschiedene Aktivitäten zusammenspielen und was wir tun müssen, um sie möglichst effizient zu gestalten. Anschließend unterstützen wir die jeweiligen Abteilungen dabei, die neuen oder veränderten Prozesse einzuführen. Außerdem beobachten wir, ob die Abläufe den gewünschten Effekt haben.

Die "Social Week" von Webasto hat dieses Jahr zum ersten Mal stattgefunden. Haben Sie sich davor schon einmal sozial engagiert?

Ja, während meiner Schulzeit hatte ich ein Ehrenamt bei der Sportjugend in Rheinland-Pfalz, wo ich ursprünglich herkomme. In den Sommerferien habe ich Freizeitfahrten für Kinder begleitet. Dabei konnten sie ein abenteuerliches und sportliches Ferienprogramm mit viel Abwechslung erleben, was mit ihren Eltern so vielleicht nicht möglich gewesen wäre. Da war das Motto immer "Sport, Spaß und Spiel".

Was haben Sie während der "Social Week" gemacht?

Ich war während meiner Arbeitszeit am Mehrgenerationencampus des Bayerischen Roten Kreuzes in Gauting. Dort gibt es verschiedene Einrichtungen: von der Tagesbetreuung bis hin zum Pflegeheim. Zusammen mit drei meiner Kollegen war ich für einen Spiele- und Vorlesenachmittag im Seniorenheim. Wir haben auch ein wenig Sport mit den Bewohnern getrieben. Das war sehr positiv, weil ich jetzt Übungen kenne, die man gut im Sitzen am Schreibtisch durchführen kann.

Viele Menschen fühlen sich im Alter vom gesellschaftlichen Leben ausgegrenzt, weil sie abgeschieden von ihren Familien in Heimen wohnen. Wie haben Sie diesen seltenen Austausch erlebt?

Außer mit meinen Großeltern habe ich normalerweise keinen Kontakt mit Senioren. Ich bin da offen reingegangen und habe direkt den Kontakt gesucht. Die Reaktion war zunächst verhalten. Das verstehe ich aber, schließlich kommt da jemand Fremdes und will etwas mit einem unternehmen. Die Zurückhaltung hat sich aber schnell gelegt. Dann war ich Gesprächspartnerin und Zuhörerin. Bei "Mensch ärgere dich nicht" habe ich leider verloren.

Worüber haben Sie sich unterhalten?

Ich habe sehr unterschiedliche Persönlichkeiten und Schicksale kennengelernt. Da ging es um Verlust, Einsamkeit und die Traurigkeit darüber, zum Beispiel nicht mehr im eigenen Haus mit Garten leben zu können. Es war deutlich zu spüren, wie schwer es den älteren Herrschaften gefallen ist, über diese Dinge zu reden, sie haben es einem aber trotzdem anvertraut. Das hat mich sehr bewegt.

Das ist nicht selbstverständlich.

Genau deswegen war dieser Nachmittag sehr wertvoll für mich. Lebenserfahrung ist ein Gut, das man sich hart erarbeiten muss. Tauscht man sich mit anderen aus, bekommt man etwas von deren Erkenntnissen ab. Das geht aber nur, wenn man sich selbst ein wenig zurücknimmt.

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