Wahlverfahren:Streitfall Sitzverteilung

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Wenn es nach der Landtags-CSU geht, müsste Kreiswahlleiter Gerhard Hertlein bei der nächsten Wahl das Sitzverteilungsverfahren d'Hondt wieder anwenden. Dieses bevorzugt die größeren Parteien. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Landtags-CSU möchte wieder zu d'Hondt zurückkehren. Dieses Verfahren bevorzugt die großen Parteien. Dagegen laufen die Grünen Sturm und fordern die Gemeinderäte auf, sich dagegen zu wehren

Von Christine Setzwein und Manuela Warkocz, Starnberg

Für die Landtags-CSU ist es ein probates Mittel, die Zersplitterung von Gemeinde-, Stadträten und Kreistagen zu verhindern. Für die Grünen wäre die Rückkehr des Sitzverteilungsverfahrens Hare Niemeyer zu d'Hondt nur ein weiterer Beweis, dass es der CSU nur um eines geht: den Machterhalt. Darum werden die Grünen nun in den Gemeinderäten aktiv. Jüngst in Tutzing und Wörthsee.

Die Grünen sind sich mit CSU-Ministerpräsident Horst Seehofer einig? "Das ist mir zum ersten Mal erinnerlich", merkte Stefanie von Winning (CSU) süffisant im Tutzinger Gemeinderat an, denn Seehofer hat seiner Fraktion einen Abfuhr erteilt. Bernd Pfitzner, Tutzinger Gemeinde- und Kreisrat (Grüne), hält das Argument der Zersplitterung für vorgeschoben. Die Vielfalt an Parteien und Gruppierungen, die sich stimmengenau in den Gemeinderäten spiegle, sei im Gegenteil in den meisten Kommunen eine positive, kreative Kraft. Den tatsächlichen Grund für die Initiative sehen die Grünen darin, das d'Hondt "nur einen Profiteur kennt: die CSU". Denn das Verfahren verzerre die Sitzverteilung zu Lasten kleiner Parteien. Großen Parteien könne es dagegen mehrere zusätzliche Mandate bescheren. Das widerspreche einer Zuteilung proportional zum Stimmenverhältnis "fundamental". Der Gemeinderat solle daher den bayerischen Gesetzgeber auffordern, das bisherige Verfahren bei der Wahl der Gemeinderäte nach Hare-Niemeyer beizubehalten.

In Tutzing mit acht Parteien und Gruppierungen wurden vor allem aus den CSU-Reihen skeptische bis abwehrende Äußerungen laut. Der Antrag sei fehl am Platz im Gemeinderat. Darüber könne nur der Landtag befinden. Der einzige FDP-Politiker Hellmut Kirchner fragte: "Wer würde hier nicht mehr sitzen?" - "Vermutlich du", schallte es ihm gleich vielstimmig entgegen. Wie die Wahl 2014 nach dem d'Hondtschen Verfahren ausgegangen wäre, konnte Rathaus-Geschäftsleiter Marcus Grätz allerdings nicht auf die Schnelle beantworten. Nach längerer Diskussion einigte man sich mehrheitlich darauf, in Form einer "Empfehlung" den Wunsch des Gemeinderates nach München zu übermitteln, "dass das bisherige Wahlverfahren beibehalten werden soll".

So geschah es auch ohne große Diskussion in Wörthsee. Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Gerald Grobbel begründet den Antrag damit, dass das Hare Niemeyer-Verfahren die kleinen Parteien gerechter behandle. In eigener Sache hat er recht: Wären die Sitze bei der Kommunalwahl 2014 nach d'Hondt vergeben worden, hätten die Grünen einen Sitz weniger gehabt, die CSU dafür einen mehr. Auch die Freien Wähler Wörthsee verurteilen den Versuch der Landtags-CSU, d'Hondt wieder einzuführen - das Verfahren, das der Bayerische Verfassungsgerichtshof 1992 für die Landtagswahl als verfassungswidrig erklärt habe. "Der nachlassende Erfolg der CSU an der Wahlurne soll wohl durch Wahlrechtstricksereien aufgefangen werden", vermutet der Wörthseer FW-Vorsitzende Harald Lossau.

Auch in Starnberg sähe die Sitzverteilung nach der Stadtratswahl 2015 anders aus. Die SPD wäre nach d'Hondt nur noch auf einen Sitz gekommen, das Bündnis Mitte Starnberg (BMS) dagegen hätte einen mehr erreicht und wäre mit sieben Sitzen die stärkste Fraktion gewesen. Was ihr gar nichts genutzt hätte, denn mittlerweile hat die BMS nach mehreren Wechseln nur noch drei Vertreter im Stadtrat.

Überhaupt nichts hätte sich dagegen an der Sitzverteilung im Starnberger Kreistag geändert, sagt Kreiswahlleiter Gerhard Hertlein. Er weist aber darauf hin, dass die Ausschüsse immer noch nach d-Hondt besetzt werden könnten.

© SZ vom 07.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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