Verkehr:Radeln mit Abstandsnudel

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1,50 Meter - so lang wie eine Poolnudel - ist der gesetzlich vorgeschriebene Mindestabstand für Kraftfahrzeuge, die Radfahrer überholen. (Foto: Georgine Treybal)

ADFC-Ortsgruppe will mit einer Aktion die Sicherheit im Verkehr erhöhen

Von Peter Haacke, Gilching

Zugegeben: Die drittgrößte Gemeinde des Landkreises mit ihren rund 19 000 Einwohnern gilt nicht gerade als fahrradfreundlich. Wer sich mit dem Radl durch Gilching auf den Weg macht, wird schnell feststellen, dass es insbesondere an ausgebauten Radwegen und Beschilderungen hapert. Geradezu abenteuerlich wird es jedoch, wenn man sich mit seinem Zweirad auf die Hauptverkehrsadern Römerstraße und Bruckerstraße wagt. Die Gilchinger Ortsgruppe des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs, kurz ADFC, prangert die Missstände schon länger an - und setzt nun zur Verbesserung der Situation auf Aktionismus: "Sicher mit Abstand!" lautet am Montag das Motto einer kleinen Radl-Demo, bei der ein Dutzend Teilnehmer mittels einer Poolnudel auf dem Gepäckträger nicht nur einen Sicherheitsabstand zwischen Autos und Radl erzwingt, sondern kurzzeitig auch den motorisierten Individualverkehr ein wenig ausbremst.

"Die Autofahrer sollen halt bei aller Eile lernen, dass sie auf Radler Rücksicht nehmen müssen", findet ADFC-Ortsgruppensprecher Peter Schmolck, der die Aktion vorbereitet hat: "Wir wollen sie auch ein bisschen erziehen." Für die zwölfköpfige Gruppe - überwiegend Senioren, aber auch eine junge Mutter und ihre siebenjährige Tochter - gibt es neonfarbene Warnwesten und je eine Poolnudel. 1,50 Meter ist die Schaumstoffrolle lang - und entspricht damit ziemlich genau dem gesetzlich vorgeschriebenen Mindestabstand für

Autos beim Überholen von Radfahrern. Doch auch die Radler sollten Distanz wahren: Abgesehen von der Bordsteinkante, die stets ein Unfallrisiko darstellt, "müsst ihr einen Meter Abstand zu parkenden Autos einhalten", mahnt Schmolck. Somit benötigt ein Fahrrad unter Beachtung aller Sicherheitszonen etwa 2,50 Meter Breite - also ebenso viel wie ein Pkw.

In der Praxis sieht das meist ganz anders aus. Der neongrün leuchtende Radfahrer-Pulk fährt diszipliniert hintereinander die Römerstraße entlang. In der Brucker Straße aber wird es eng - und schon ist's passiert: Ein Auto streift eine Poolnudel, der Abstand war zu gering. Die Berührung bleibt zum Glück ohne Folgen. "Autofahrer wissen oft gar nicht, was 1,50 Meter bedeuten", weiß ADFC-Tourenleiter Fritz Carl, der schon merkwürdige Dinge erlebt hat bei seinen Ausflügen. "Als Radfahrer werde ich immer beschimpft", sagt er, auf der Straße wie auf dem Gehweg. Doch kurios genug: Die meisten Unfälle mit Radlern passieren ausgerechnet dort, wo sie hingehören. Auf dem Radweg.

Dabei könnten schon kleine Verbesserungen für Abhilfe sorgen, auffälliger markierte Fahrradwege etwa und sinnvollere Verkehrsführungen. "Aber die Politik in Gilching ist radfahrfeindlich", sagt Carl. Diplomatischer drückt es Gemeinderat Martin Pilgram (Grüne) aus: "Wir tun nichts für Radfahrer", sagt er - und hat eine Idee: Gilchings Gemeinderäte sollten eine Woche lang per Fahrrad unterwegs sein, um die Defizite der Infrastruktur im wahrsten Wortsinn selbst zu erfahren. "Die Hälfte", sagt Pilgram mit einem Anflug von Sarkasmus, "würde vermutlich überfahren".

Gilchings Radfahrer sind nicht allein mit ihrem Problem. Auch in Gauting, Herrsching oder Weßling ist es eng auf den Straßen. In Gilching aber ist radeln besonders stressig: Tausende motorisierter Verkehrsteilnehmer sind hier tagtäglich oft unter enormen Zeitdruck auf Durchreise zwischen B 2 und A 96, zwischen Fürstenfeldbruck und Starnberg. Lastwagen, Lieferverkehr und Pkw machen es zu Hauptverkehrszeiten extrem ungemütlich.

Nach 30 Minuten ist die Aktion vorbei. Ein paar Autofahrer haben sich aufgeregt, andere zeigen Verständnis, die Organisatoren sind zufrieden. Zumal es in diesem Jahr nicht die letzte Aktion des ADFC sein wird: Am Freitag, 18. Oktober, findet auf dem Gilchinger Marktplatz eine weitere Radl-Demo unter dem Motto "Für sichere Schulwege!" statt.

© SZ vom 09.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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