Verkehr:Eine Sache der Interpretation

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Seit Jahren leidet die Kreisstadt unter der Verkehrsbelastung. Ein Tunnel könnte Abhilfe schaffen, doch viele wünschen eine Umfahrung. (Foto: Franz X. Fuchs)

Auch die UWG hegt Zweifel an den Prognosen zur Starnberger Verkehrsentwicklung. Sämtlichen Umfahrungsvarianten werden keine Realisierungschancen eingeräumt

Von Peter Haacke, Starnberg

Heiß diskutiert werden in den Fraktionen derzeit die ersten Ergebnisse zum Starnberger Verkehrsentwicklungsplan (VEP), der eine Entlastung der Kreisstadt zum Ziel hat. Doch das Zahlenwerk, das die Experten der Firma SHP (Hannover) Anfang Februar präsentierten, lässt große Interpretationsspielräume zu, zumal die Kriterien für die vier untersuchten Szenarien für 2030 - Tunnel und drei Umfahrungsvarianten - nicht gewichtet wurden. Eine rechtliche Bewertung gibt es bislang nicht, obwohl in der Ausschreibung für den VEP explizit ein "Realisierungskonzept" für eine Umfahrung gefordert war. Nachdem die Bürgerliste (BLS) die Prognosen zu Wirksamkeit von Tunnel und Umfahrungen als ungeeignet bezeichnete und die WPS im Projektausschuss Verkehr am Montag, 29. Februar, die Aufhebung aller Tunnelbeschlüsse im Stadtrat beantragt hat, befasste sich am Dienstag die Unabhängige Wähler Gemeinschaft (UWG) mit dem VEP. Die Veranstaltung, bei der ein Vortrag von Thorsten Schüler im Mittelpunkt stand, stieß auf ungeahntes Interesse: Unter den rund 30 Zuhörern waren neben aktuellen und ehemaligen Stadträten auch die stellvertretenden Bürgermeister Klaus Rieskamp (BLS) und Iris Ziebart (FDP), die sich der Diskussion stellten.

Altbürgermeister Ferdinand Pfaffinger stellte in seiner Rolle als UWG-Vorsitzender zur Begrüßung fest, dass sich die Anti-Tunnel-Allianz mit Bürgermeisterin Eva John bereits auf der Zielgeraden für eine Umfahrung wähne. Der Stadtrat sei im Jahr 2003 wesentlich weiter gewesen, weil auch die rechtlichen Gegebenheiten bewertet wurden, die letztlich zur Entscheidung zugunsten des Tunnels führten. Diese Beschlüsse aber wurden von einem Teil der Bürgerschaft nie akzeptiert, sagte Pfaffinger: "Es ist hier schlechter Brauch, Fachleuten nicht zu glauben". Mit dem VEP aber befinde sich Starnberg "noch nicht einmal auf dem Weg zum Stadion für den anschließenden Hindernislauf". Im Wahlkampf noch hatte die Allianz eine Umfahrung in sechs bis acht Jahren in Aussicht gestellt, zwei Jahre sind bereits verstrichen.

Schüler analysierte die SHP-Szenarien zu den ortsnahen Umfahrungsvarianten, die bislang nur als "Striche in der Landschaft" existieren, mit Sicherheit aber den Grüngürtel der Stadt zerteilen würden. Die von der BLS favorisierte "ortsferne" Variante, deren Realisierung von vielen als chancenlos erachtet wird und auch von der Allianz als nachrangig eingestuft wird, blieb bei der Betrachtung außen vor. Wenig Chancen räumte Schüler einer "äußeren ortsnahen Nordost-Umfahrung" ein. Aber auch die "innere ortsnahe" Variante sei im Bereich der Bahnlinie nicht ohne Tunnel zu realisieren. Ohnehin seien die von SHP vorgelegten Grafiken und Zahlen "mit Vorsicht zu genießen": Die Änderung nur eines Parameters ergebe andere Ergebnisse.

Für UWG-Fraktionschef Jürgen Busse ist kaum begreifbar, was derzeit im Stadtrat passiert: Alle Fraktionen hatten dem VEP zugestimmt, nun aber will die WPS den Tunnel aus dem Rennen nehmen. Das "Signal nach Berlin" sei fatal. Zwar befand Rieskamp, dass ein Stadtrat keinen Planfeststellungsbeschluss aufheben könne. Doch spannend bleibt, wie BMS, BLS und FDP votieren werden. Martina Neubauer (Grüne) meint, dass sich Unterstützer des WPS-Antrags diskreditieren, weil sie eine objektive Lösung vereiteln - eine Frage der Fairness und Glaubwürdigkeit. In der Bürgerschaft, die des Themas "Tunnel oder Umfahrung" teilweise überdrüssig war, beginnt die Debatte erneut - insbesondere in potenziell betroffenen Gebieten.

© SZ vom 25.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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