Veranstaltungsreihe:Reckaufschwung mit Horváth

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Das historische Kaufhaus Biller in Starnberg verkaufte früher Textilien und "Kolonialwahren" und ist am Sonntag von 10 bis 18 Uhr geöffnet. (Foto: Ulrike Mertz/oh)

Der Literarische Herbst beginnt mit einer Lesung in der Turnhalle

Von Gerhard Summer, Starnberg

Mal plaudern zwei Frauen aus dem Nähkästchen, mal versucht sich Ödön von Horváth am Reckaufschwung. Der Literarische Herbst 2017 nähert sich seinem Start, und zumindest zwei der ausgesuchten Orte und einer der Hauptakteure sind spektakulär: Kunstmanagerin Elisabeth Carr und Schriftsteller Gerd Holzheimer entführen ihr Publikum zu Lesungen in den 1804 gegründeten Gemischtwarenladen Johann Biller an der Starnberger Hauptstraße und in eine alte Turnhalle. Und zum Ludwig-Thoma-Abend in Unterbrunn kommt Schauspieler Hansi Kraus, 65, einst Kinderstar der Sechzigerjahre und Inkarnation des Lausbuben.

Außerdem auf dem Programm: ein Luther-Abend in der amphitheaterhaften Planegger Waldkirche mit dem Schauspieler Ernst Matthias Friedrich, eine Jennerwein-Hommage mit viel Rauch und Wildererliedern, gesungen von Rose Bihler Shah und ihrem Chor, und eine Exkursion zur Kirche St. Peter und Paul im nahen Harkirchen. Dort stand womöglich einst Ignaz Günthers Starnberger Heilige als Altarfigur stand. Die Kunsthistorikerin Katja Sebald schickt sich an, das Geheimnis zu lüften.

Die zum 100. Jubiläum des Landkreises Starnberg erfundene Reihe meidet mit Vorliebe die Allgemeinplätze. Von Anfang an ging es Carr und Holzheimer um maßgeschneiderte Programme an ungewöhnlichen Locations. Das können Orte sein, an denen andere achtlos vorübergehen. Private Villen und Gutshöfe, die sonst kein Fremder betreten darf. Oder auch verfallende Wirtshäuser, ein alter Atombunker und andere Räume, in denen man alles mögliche erwartet, nur eben nicht Prosa von Heine und Gedichte von Sarah Kirsch.

Manchmal sind es glückliche Zufälle, die Türen öffnen, wie Holzheimer und Carr bei einer Pressekonferenz im Schloss Kempfenhausen erzählten. Der Gutshof der Haushofers und die Villa der von Millers wurden nur deshalb Herbst-Schauplätze, weil die Eigentümerinnen selbst Interesse anmeldeten: "Wollen Sie nicht auch bei uns was machen?" Der alte Gemischtwarenladen von Gertrud Weiß wiederum stand lange auf Carrs Wunschliste. Sie war schon als Kind in dem Geschäft gewesen, das Stoff fürs Dirndl genauso führte wie Wolle, Maggigewürz, weißes Feinripp für den Mann und Lametta für den Christbaum. Heuer hat es geklappt. Allerdings ist die Lesung fast schon ausverkauft, weil nur 20 Leute in den kleinen Laden mit Biedermeier-Einrichtung passen.

Im Vorjahr hatte sich Rundfunksprecher und Schauspieler Peter Weiß, der Bruder von Elisabeth Carr, schon auf die historische Kegelbahn von Maising begeben. Heuer geht's mehr um verschwitzte Sportleiberl und grausame Pädagogen. Holzheimer hat den Ausflug in die Turnhalle in Erinnerung an seinen eigenen Sportlehrer "Nächster Versuch" genannt. Denn der Mann habe, wenn sich Schüler nach einem misslungenem Abgang vom Barren oder einem Sturz vom Bock noch auf der Matratze krümmten, gerne geknurrt: "nächster Versuch". Zu hören sind an dem sportlichen Abend Texte von Marieluise Fleißer, Ödön von Horváth und Joachim Ringelnatz, außerdem Poesie der Orientalistin Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Annemarie Schimmel. Sie fing den von Uli Hoeneß beim Finale der Europameisterschaft 1979 verschossenen Elfmeter mit den Versen ein: "Inmitten gewalt'gen Gestöhnes/verschoss den Elfmeter der Hoeneß./ Das Spiel ist verloren. . ./Mit hängenden Ohren/betrachtet der Trainer, Herr Schön, es!" Wer Lust hat, kann auch in Sportkleidung kommen.

Ganz so heiter geht es nicht weiter. "Bei aller Liebe" zum Beispiel, ein Ausflug ins Kloster Benediktbeuern und auf die Staffelalm, dreht sich um Maria Marc und Charlotte Berend-Corinth, die ihren Männern "sehr geduldig und sehr ergeben" (Carr) zur Seite standen. Und Ludwig Thomas unsägliche antisemitische Artikel werden bei dem Abend mit Hansi Kraus in Unterbrunn natürlich auch Thema sein. Wie Holzheimer sagte, gehe Kraus im Übrigen lässig damit um, dass er für sein Publikum immer der Lausbub geblieben ist. Diese Festlegung habe ihm geschadet, aber eben auch viel genutzt.

Auftakt ist am Samstag, 16. September, 16 Uhr mit "Nächster Versuch" in der Turnhalle der Alten Schule Erling. Katja Sebald leitet die Exkursion nach Harkirchen am Sonntag, 1. Oktober, 13 Uhr. Der Wilderer- und Jägermatinee "Piff, Paff, Puff!" ist am Sonntag, 22. Oktober, 11 Uhr, im Schloss Kempfenhausen. Und Ludwig Thomas Lausbub kommt am Mittwoch, 22. November, 19 Uhr, in den Pfarrhof Unterbrunn. Weitere Daten und Karten im Internet unter literarischer-herbst.info.

© SZ vom 14.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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