Utting:170 kleine Christuskirchen

Lesezeit: 4 min

Das Uttinger Ehepaar Bauer schmilzt das Zinn der Orgelpfeifen aus der im vergangenen August abgebrannten Christuskirche ein. (Foto: Nila Thiel)

Peter und Irene Bauer machen aus den Orgelpfeifen des abgebrannten Gotteshauses Miniaturmodelle. Mit deren Verkauf will das Ehepaar den Wiederaufbau finanziell unterstützen.

Von Louisa Geibel, Utting

Kleine, bunt bemalte Steine liegen am Rande des Weges, der noch vor wenigen Monaten zur Christuskirche geführt hat. "Zusammenhalt" und "Neuaufbau" steht auf zweien geschrieben. Ein Exemplar zeigt die Silhouette einer Kirche, andere sind mit Herzen verziert. Sonst erinnert wenig an die fast 100 Jahre alte Holzknüppelkirche, die im August vergangenen Jahres bei einem Brand völlig zerstört worden ist. Noch immer ist die Ursache des Feuers unbekannt. Die Schadenssumme werde auf einen mindestens siebenstelligen Betrag geschätzt, heißt es von Seiten der Kirche.

Obwohl die Versicherung die Kosten für den Wiederaufbau größtenteils übernimmt, ist absehbar, dass einige notwendige Modernisierungsmaßnahmen die Versicherungsleistung übersteigen werden. Zur Finanzierung dieser Kosten hat das Ehepaar Bauer aus Utting eine kreative Spendenaktion ins Leben gerufen: Aus dem Zinn der geschmolzenen Orgelpfeifen stellen Irene und Peter Bauer Miniatur-Christuskirchen her und geben diese Modelle gegen eine Spende von mindestens 100 Euro weiter.

Für die Bauers ist es eine Herzensangelegenheit, den Wiederaufbau zu unterstützen, schließlich haben sie ihre Hochzeit sowie die Taufe ihrer Kinder und Enkelkinder in der evangelischen Kirche gefeiert. Nach dem Brand hatte Peter Bauer einige Erinnerungsstücke aus den Überresten der Christuskirche geborgen. "Ein buntes Konglomerat an Fundstücken" habe er dabei gesichert, berichtet der 66-Jährige, darunter die beschädigte Holzkrippe, für die er mittlerweile neue Beine angefertigt hat, Bruchstücke des Taufbeckens, ein Stück Seil der Kirchenglocken sowie gut 30 Kilogramm Zinn der geschmolzenen Orgelpfeifen. Damit lässt sich doch etwas anfangen.

Die ursprüngliche Idee der Pfarrerin Alexandra Eberhardt sei es gewesen, aus dem Zinn Kreuzanhänger anzufertigen. Da das Material der Orgelpfeifen aber auch einen Anteil Blei enthalte, sei das Material zur Schmuckherstellung aber ungeeignet, erklärt Peter Bauer. Seine Ehefrau kam schließlich auf die Idee, stattdessen Miniaturen der Christuskirche aus der Zinn-Blei-Legierung zu gießen. Als Vorlage sollte eine Zeichnung der Kirche dienen, die vor 18 Jahren die Hochzeitseinladungen des Ehepaars zierte und von Irene Bauer eigenhändig gezeichnet wurde.

Ein Uttinger Ehepaar Bauer gießt aus dem Zinn Modelle des Gotteshauses. (Foto: Nila Thiel)

Als Berufsschullehrer hatte sich Peter Bauer bereits mit dem Verfahren des Gießens beschäftigt, trotzdem war etwas Hilfe von außen nötig, um die Idee umzusetzen. Das Ehepaar hat sich daher fachliche Beratung von der Zinngießerei Schweizer aus Dießen geholt. Bei der Anfertigung der Gießform konnte ihnen außerdem ihre Schwiegertochter helfen, die als Zahntechnikerin arbeitet. Und so gießt Peter Bauer nun in seiner Werkstatt im Garten heißen, flüssigen Zinn in eine hitzebeständige Silikonform der Christuskirche. Etwa 100 Gramm des Schwermetalls benötigt er für ein Exemplar. Nach dem Putzen, Entgraten und Polieren der abgekühlten Rohlinge werden die Zinnkirchen patiniert und von Irene Bauer und einer Freundin angemalt. Ein Aufkleber weist auf den besonderen Ursprung der verwendeten Materialien hin. Mit Schlagbuchstaben wird außerdem jede Miniaturkirche mit einer eigenen Nummer versehen - jedes Exemplar ist ein Unikat. Etwa zwei Stunden benötigen sie zur Anfertigung einer Kirche. Speziell das Bemalen sei eine sehr zeitintensive Arbeit, sagt Irene Bauer. Doch ihre Mühe zahlt sich aus: Bisher wurden 129 Miniaturkirchen gegen eine Spende von jeweils 100 Euro oder mehr abgegeben. Einige Abnehmer seien auch zu deutlich größeren Spenden bereit gewesen, berichtet Pfarrerin Alexandra Eberhardt, die den Vertrieb der Miniaturkirchen übernommen hat. Seine angestrebte Spendensumme von 10 000 Euro hat das Ehepaar Bauer somit schon jetzt übertroffen. Die Zinnkirche mit der weitesten Reise ging nach Portugal.

Ausruhen möchten sich die Bauers auf ihrem Erfolg allerdings nicht. 170 Exemplare hatten die beiden bis Weihnachten vorproduziert. Es ist also noch ein kleines Kontingent verfügbar. Bei Bedarf seien sie aber "jederzeit bereit, wieder zu starten", sagen sie. Das Projekt soll so lange laufen, wie Nachfrage besteht. Begrenzende Faktoren seien dabei nur die Lebensdauer ihrer Silikonform sowie der abnehmende Vorrat an Holz, das Peter Bauer ebenfalls aus den Überresten der Christuskirche geborgen hatte und aus dem er nun den Boden für die kleinen Zinnkirchen fertigt. 20 bis 30 weitere Exemplare ließen sich ihm zufolge noch aus dem Holz machen, danach müsse man gegebenenfalls auf anderes Holz zurückgreifen.

Botschaftssteine zieren das Gelände der Kirche. (Foto: Nila Thiel)

Für den Fall, dass die Nachfrage nach den Miniatur-Christuskirchen das Angebot übersteige, seien die Bauers auf weitere, helfende Hände angewiesen, sagen die beiden. Es existiere aber bereits eine Liste mit Personen, die angeboten hätten, sie bei der Anfertigung der Kirchen zu unterstützen. Die Bauers erhalten in ihrer Gemeinde große Anerkennung für ihre Arbeit. "Im Dorf werde ich jeden Tag von den Leuten angesprochen, die sich bei uns für unsere Mühe bedanken", sagt Irene Bauer erfreut. Allgemein hat die 71-Jährige das Gefühl, dass die Menschen nach dem Brand "noch enger zusammengerutscht" seien. So habe alles Negative immer auch eine positive Komponente, merkt ihr Ehemann an.

Derweil nimmt das Projekt Wiederaufbau Gestalt an: Die Architekten Wolf-Eckart Lüps und Mauritz Lüps - Vater und Sohn - seien bereits dabei, erste Pläne zu erstellen, heißt es von Kirchenseite. Lüps senior war bereits in den 1980er Jahren für den Umbau und die Generalsanierung der Christuskirche verantwortlich. Auch habe man bereits eine Glockengießerei ausgewählt, die nun mit der Herstellung der neuen Kirchenglocken beauftragt werde. Und es gibt noch eine gute Nachricht: Man rechne damit, dass die Renovierung des Gemeindezentrums, das ebenfalls von dem Brand betroffen war, bereits in der kommenden Woche fertiggestellt werde, so Pfarrerin Eberhardt.

Der Wiederaufbau soll in zwei Jahren abgeschlossen sein. Dabei solle die neue Kirche dem alten Holzbau vor allem von außen sehr ähneln werden, ein originalgetreuer Nachbau sei allerdings nicht angestrebt. Man plane etwa eine leichte Vergrößerung der Kirche und verzichte in Zukunft auf Säulen im Innenraum, um eine bessere Sicht zu garantieren, erzählt Eberhardt.

© SZ vom 20.01.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: