"Nicht jammern", sagt Martin Held und erhebt sich aufgebracht von seinem Stuhl, "machen Sie doch was daraus!" Jetzt, wo der Beschluss für das Entwicklungskonzept beschlossen wurde, solle man sich auch dafür starkmachen.
Donnerstag, Tutzing, vierter Stock der IT-Firma Lobster. 40 Interessierte sind gekommen, um mit Vertretern der Tutzinger Liste (TL) über die Zukunft des Ortes zu beratschlagen. Früher Fischerdorf, jetzt beliebter Rückzugsort - und in Zukunft? Zum Einstieg des Ideenabends gibt es erstmal eine Präsentation der Ein-Mann-Gruppierung im Gemeinderat, die es sich auf die Fahne geschrieben hat, die Geschehnisse im Ort transparenter zu machen und Bürger mehr einzubeziehen.
"ISEK" versus "GEK" - ein ewiges Streitthema, ausgetragen in sperrigen Akronymen
Das zeigt sich auch am Donnerstagabend. Unter dem Titel "Wie wollen wir in Zukunft in Tutzing leben?" hören sich die Anwesenden eine gute Stunde lang an, was sich die TL für den Ort vorstellt: Weniger Leerstand, mehr Gemeindebudget, mehr "strukturelle Gesamtbetrachtung". Dies alles hat der Gemeinderat zwar auch beschlossen, Stichwort "Integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept" (ISEK) - aber eben nicht so weitgehend, wie sich das die TL gewünscht hätte. Ein Gemeindeentwicklungskonzept (GEK) hingegen gebe Orientierung und wäre "selbstbindend", also verpflichtend, betont Gemeinderat Behrens-Ramberg.
Heinz Klaus Mertes, einst Redakteur beim Bayerischen Rundfunk, wirft die Frage auf, woher die konfrontative Stimmung zwischen TL und Gemeinderat kommt und vermutet: "Seitens der politischen Führung besteht die Sorge, es könnte ein Korsett aufgebaut werden, das sie entautorisiert." TL-Schatzmeisterin Lucie Vorlíčková entgegnet, die Konfrontation hätte gar nicht stattgefunden, weil der entsprechende Antrag nie auf der Tagesordnung im Gemeinderat gestanden habe. "Gegenwind kam vor allem von der Bürgermeisterin", ergänzt sie. Trotzdem wolle man mit ihr im Gespräch bleiben.
An die Kritik schließt sich Werner Netzel vom Lions Club an: "Ich komme aus der Wirtschaft. Niemand kann ohne Klarheit und Orientierung führen." Das würde ein GEK aber mit sich bringen, moniert er, "das ist eine Farce!" Ähnlich sieht es Gemeinderat Georg Schuster (FDP): "Solange das Rathaus nicht unternehmerisch geführt wird, geht es nicht. Wir brauchen eine Zielplanung", fordert er. Zwei weitere Redner aus dem Auditorium fordern gar eine Dienstaufsichtsbeschwerde - eine Forderung, von der sich die Tutzinger Liste distanziert.
Wäre die Bürgermeisterin da gewesen, hätte sie wohl betont, dass durchaus alles in den Blick genommen werden soll - und zwar mithilfe der Bürger. Selbstzerfleischung statt konstruktiver Visionen, das missfiel auch Gemeinderätin Caroline Krug (ÖDP): "Wir müssen alle an einem Strang ziehen", appelliert sie.